Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein Komponist unserer Heimat
Serie Cyrill Kistler stammt aus Großaitingen. Wie Richard Wagner seine Entwicklung beeinflusst hat
Großaitingen
Dass überdurchschnittliche musikalische Begabung in Schwaben eine Heimat hat, ist seit Mozart weltweit bekannt. Aber er war beileibe nicht der Einzige. Wer Nachschlagewerke deutscher Musik durchstöbert, wird erstaunt sein über die Menge an bedeutenden Tonkünstlern aus unserer Heimat, die er da findet. Einer von ihnen war der Komponist Cyrill Kistler aus Großaitingen. Mit Lokalpatriotismus betrachtet war er der schwäbische Richard Wagner.
Geboren wurde der Musiker im März 1848 als Sohn einer Handwerksfamilie. Mit 17 besuchte er das Lehrerseminar in Lauingen, um alsbald in einigen Gemeinden seiner Heimat zu unterrichten, was ihm jedoch bald missfiel. Er entdeckte seine eigentliche Begabung – das Musizieren.
1876 begann er ein Studium an der Königlichen Musikschule in München mit den Hauptfächern Orgel und Komposition. Für kurze Zeit verschlug es ihn nach Thüringen an das Kurfürstliche Konservatorium in Sondershausen, wo er Musiktheorie unterrichtete.
In diesen Jahren lernte er auch Richard Wagner in Bayreuth kennen. Von dessen Musik war er begeistert und so kann es nicht verwundern, dass diese seine weitere Entwicklung nachhaltig beeinflusst hat.
Er ging 1883 nach Bad Kissingen in Unterfranken und gründete dort seine eigene Musikschule. Fast ist man versucht zu sagen: Einmal Lehrer, immer Lehrer. Unter seiner Redaktion erschien in dieser Zeit zwölf Jahre lang auch die Zeitschrift „Musikalische Tagesfragen“. 1904 verfasste er eine Harmonielehre.
Insgesamt rund 200 Werke schuf der mit der Zeit weitbekannte Musiker Kistler: neben geistlichen Chören und Liedern auch zahlreiche Orgelund Klavierstücke. Obendrein auch etliche Opern, unter anderem „Eulenspiegel“. Bei der Uraufführung dieser Oper wertete Richard Strauss, der seinerseits auch von Wagner beeinflusst war, den Text als „unbeholfen“und „erheiternd“. Was ihn dazu veranlasste, Jahre später zu diesem Thema unter dem Titel „Till Eulenspiegels lustige Streiche“eine eigene Tondichtung, wie er es nannte, zu komponieren.
Richard Wagner war von seinem Freund Kistler sehr angetan und bezeichnete ihn sogar als seinen einzigen würdigen Nachfolger. Heute gilt Kistler in der breiten Öffentlichkeit als vergessen. Und so wird er für Nichtmusikinteressierte nur als Namensgeber zweier Straßen in Großaitingen und Bad Kissingen, wo er 1907 verstarb, in Erinnerung bleiben.
Anlässlich seines 100. Todestages erhielt der Komponist in Großaitingen ein Denkmal. Winfried Zimmermann, Verfasser einer Kistler-Biografie, Bürgermeister Franz Stellinger und Manfred Stöckl von der Kreissparkasse Augsburg enthüllten damals feierlich den Gedenkstein mit Bronzeplatte.