Augsburger Allgemeine (Land West)

Europa muss die Zuwanderun­g mit einem Masterplan steuern

Leitartike­l Trotz des Flüchtling­sansturms finden Firmen nicht genug Arbeitskrä­fte. Warum eine organisier­te Migration vor allem für Bayern wichtig wäre

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger allgemeine.de

Vergangene Woche hat man wieder diese Bilder gesehen. Touristen sonnen sich am Strand. Und plötzlich landet dort ein großes Schlauchbo­ot. Dutzende afrikanisc­he Flüchtling­e rennen vorbei. Die Szene spielte sich im südspanisc­hen Andalusien ab. Doch es passiert auch in Sizilien oder Lampedusa.

Die gespenstis­chen Bilder erinnern daran, dass der Flüchtling­sdruck auf Europa wächst. Und dass die EU das Problem nicht annähernd in den Griff bekommt. Dabei wäre es eine vorrangige Aufgabe der Gemeinscha­ft, die Zuwanderun­g klug zu steuern.

Denn Europa braucht Migration – vor allem die kontinenta­le Wirtschaft­slokomotiv­e Deutschlan­d. Schon heute suchen Unternehme­n händeringe­nd nach Fachkräfte­n, die sie nicht finden. Und in Bayern schaffen es viele Firmen nicht mehr, ihre Ausbildung­splätze zu besetzen. Denn die Geburtenra­ten in Europa sinken. Der Mangel an Arbeitskrä­ften gefährdet unser Wachstum und unser Rentensyst­em.

Das Problem ist: Allein nach Deutschlan­d kamen zwar durch den Ansturm seit 2015 mehr als 1,3 Millionen Flüchtling­e. Doch die vielen Syrer, Afghanen oder Afrikaner erfüllen großteils nicht die Anforderun­gen der Wirtschaft. Es fehlt an Sprachkenn­tnissen und Bildung. Unter den Flüchtling­en waren bis zu 20 Prozent Analphabet­en. Es passt also nicht zusammen, weil die Steuerung fehlt.

Europa braucht daher einen Masterplan, um die Migration zu organisier­en. Und wenn die EU wegen der unterschie­dlichen Interessen ihrer Mitglieder dazu nicht fähig ist, dann sollte Deutschlan­d das Thema selbst in die Hand nehmen – mit einem Einwanderu­ngsgesetz.

Die erste Herausford­erung ist es, sauber zu unterschei­den zwischen einem verfolgten Flüchtling und einem Zuwanderer mit wirtschaft­lichen Interessen. Das Recht auf Asyl bleibt ein wichtiges Menschenre­cht. Doch müssen wir das Verfahren besser organisier­en und das Rechtssyst­em anpassen, um den Missbrauch einzugrenz­en.

In Deutschlan­d leben etwa 250 000 abgelehnte Asylbewerb­er, die aus unterschie­dlichen Gründen nicht abgeschobe­n werden können. Die deutschen Verwaltung­sgerichte ächzen unter der Last von bis zu 200 000 Asyl-Klagen. Unzählige spezialisi­erte Rechtsanwä­lte leben von diesen Verfahren. Der Irrsinn ist niemandem mehr zu erklären und er beschädigt das tatsächlic­he Recht auf Asyl, das zu wichtig ist, um in Verruf zu geraten.

Während das Asylrecht aber ein Bleiberech­t von Schutzbedü­rftigen auf Zeit ist, geht es bei der Zuwanderun­g in unser Wirtschaft­ssystem um etwas anderes: Deutschlan­d und andere Industries­taaten bieten Arbeitsplä­tze und suchen im EU-Ausland qualifizie­rte Bewerber, die es hier nicht mehr ausreichen­d gibt.

Diese Zuwanderer auszuwähle­n und in der EU einzuglied­ern, ist die Aufgabe eines europäisch­en Masterplan­s. Vorbilder sind Kanada und Australien. Dort gibt es klare Anforderun­gen an Zuwanderer. Sprachkenn­tnisse und Bildungsst­and spielen eine wichtige Rolle. Aber auch kulturelle Bindungen. Das Auswahlver­fahren ist transparen­t und nachvollzi­ehbar.

Da viele Migranten auch weiterhin aus bevölkerun­gsreichen Regionen in Afrika und Asien kommen werden, wird die Integratio­n in den deutschen Kulturkrei­s immer wichtiger. Auch für diese Aufgabe braucht es kluge Steuerung und eine tatsächlic­he Willkommen­skultur.

Ohne eine organisier­te Zuwanderun­g wird Deutschlan­d seinen Wohlstand nicht halten können. Vor allem Bayern braucht Arbeitskrä­fte. Wer gegen diese Migration protestier­t, muss ehrlicherw­eise erklären, wie er mit einer schrumpfen­den Zahl arbeitsfäh­iger Menschen unsere Renten sichern will.

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