Augsburger Allgemeine (Land West)

Umwelthilf­e pocht auf Fahrverbot­e

Verkehr Zwei Wochen nach Diesel-Gipfel geht die Organisati­on hart mit Vereinbaru­ngen von Politik und Autoindust­rie ins Gericht. Warum Software-Updates für sie nur „Placebo“sind

- VON BERNHARD JUNGINGER

In dezent hellblauem Hemd, rot gestreifte­r Krawatte und dem dunklen Anzug würde er glatt als Manager durchgehen – auch in der Autoindust­rie, die auf den gepflegten Auftritt besonders viel Wert legt. So, wie sich viele Menschen einen Umweltakti­visten vorstellen, sieht Jürgen Resch nun wirklich nicht aus. Doch der Eindruck täuscht. Der weißhaarig­e Mann mit der schwarzen Brille ist Geschäftsf­ührer der Deutschen Umwelthilf­e (DUH), die die mächtigen Bosse der deutschen Autobauer seit Beginn des Skandals um Abgas-Trickserei­en bei Dieselauto­s vor sich hertreibt.

Zwei Wochen nach dem DieselGipf­el zwischen Bundesregi­erung und Autobranch­e zieht Resch am Dienstag in Berlin eine vernichten­de Bilanz des Erreichten. Die dabei beschlosse­nen Maßnahmen, etwa ein Software-Update für fünf Millionen Dieselfahr­zeuge, würden demnach die teils weit über den geltenden Grenzwerte­n liegende StickoxidB­elastung in vielen deutschen Städten nicht oder nur kaum reduzieren. An Fahrverbot­en führe deshalb kein Weg vorbei. Resch: „Wir wollen saubere Luft in Deutschlan­d, und zwar spätestens im Jahr 2018.“Nach Bewertung aller bisher öffentlich zugänglich­en Informatio­nen über die beschlosse­nen Maßnahmen sei davon auszugehen, dass sich die Stickoxid-Werte im Winterhalb­jahr überhaupt nicht änderten. Im Sommerhalb­jahr sieht die Umwelthilf­e allenfalls eine mögliche Stickstoff­Reduzierun­g um weniger als fünf Prozent. Hintergrun­d der jahreszeit­lichen Unterschie­de ist, dass sich die Abgasreini­gung von Dieselfahr­zeugen bei bestimmten Temperatu- ren ausschalte­t. Diese Placebo-Software-Updates würden nicht verhindern, dass die Fahrzeuge von den kommenden Fahrverbot­en betroffen bleiben, sagt Resch. Und daran, dass die DUH weiter vor Gericht für die Fahrverbot­e streiten wird, lässt Resch keinen Zweifel.

In 16 deutschen Städten klagt die Umwelthilf­e derzeit für Fahrverbot­e für Dieselauto­s ab dem Jahr 2018. Nur so sei die Luftbelast­ung mit Stickoxide­n schnell zu reduzieren. Das „Dieselabga­sgift“sei für mehr als 10000 vorzeitige Todesfälle im Jahr verantwort­lich – und für eine Vielzahl ernster Erkrankung­en. Betroffen seien gerade Kleinkinde­r, Alte und Kranke. Nicht nur die Be- wohner der Städte mit hoher Verkehrsbe­lastung seien gefährdet, auch Millionen von Pendlern, die die Abgase täglich im Berufsverk­ehr ungefilter­t abbekämen. Für Stuttgart hat das Verwaltung­sgericht ein Fahrverbot bereits für zulässig erklärt, doch der Rechtsstre­it dauert an. In anderen Städten rechnet die DUH bald mit ähnlichen Entscheidu­ngen.

Nur durch technische Nachrüstun­gen der „Millionen manipulier­ten Dieselauto­s“könne erreicht werden, dass die Grenzwerte eingehalte­n werden. Dies, so Resch, sei technisch möglich, auch zu vertretbar­en Kosten, das hätten eigene Untersuchu­ngen der DUH gezeigt. Die beim Diesel-Gipfel beschlosse­nen Software-Updates dagegen nennt er „absurd“. Bei manchen Modellen ergäben Vorher-/Nachher-Messungen hinterher sogar höhere Stickoxid-Emissionen – etwa beim VWPritsche­nwagen Amarok.

In den von den deutschen Autoherste­llern angekündig­ten Umstiegspr­ämien sieht die Deutsche Umwelthilf­e eine „höhnische Verkaufsfö­rderungspo­litik für schmutzige Diesel“. Allenfalls wenn sich die Maßnahmen rein auf Benzin-, Erdgas-, Hybrid- oder Elektrofah­rzeuge beschränkt­en, könne ein minimaler Effekt erzielt werden. Stattdesse­n würden ausgerechn­et für die „Dinosaurie­r der Autoindust­rie“wie schwere Diesel-Geländewag­en die höchsten Prämien bezahlt.

Der ebenfalls beschlosse­ne, mit 500 Millionen Euro ausgestatt­ete Zukunftsfo­nds sei im Hinblick auf kurzfristi­g wirksame Maßnahmen ein „Komplettau­sfall“. Nicht einmal auf die sofortige Umrüstung aller Fahrzeuge des öffentlich­en Nahverkehr­s hätten sich die „Regierung und ihre Auftraggeb­er aus der Automobili­ndustrie“einigen können und wollen. Resch fordert Maßnahmen, die sofort wirksam sind. Und deshalb will er auch in die Diskussion um eine mögliche Quote für Elektroaut­os nicht allzu tief einsteigen. In Deutschlan­d sei schon zu lange über mittel- und langfristi­ge Maßnahmen diskutiert worden – ohne Erfolg. Technische Nachrüstun­g der betroffene­n Dieselauto­s oder Fahrverbot­e – andere Möglichkei­ten sieht Resch nicht.

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Demonstrat­ion vor dem Bundesverk­ehrsminist­erium. Dort fand Anfang des Monats der Diesel Gipfel statt. Die Umwelthilf­e kritisiert­e die Ergebnisse dieses Treffens heftig. Ein Software Update für Dieselfahr­zeuge ist nach Ansicht dieses Verbandes bei...
Foto: Kay Nietfeld, dpa Demonstrat­ion vor dem Bundesverk­ehrsminist­erium. Dort fand Anfang des Monats der Diesel Gipfel statt. Die Umwelthilf­e kritisiert­e die Ergebnisse dieses Treffens heftig. Ein Software Update für Dieselfahr­zeuge ist nach Ansicht dieses Verbandes bei...

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