Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie es nach der Air Berlin Insolvenz weitergeht

Urlaubszei­t Damit deutsche Urlauber nicht im Ausland festsitzen, gewährt die Bundesregi­erung der Airline einen Kredit. Sonst müssten ihre Flieger am Boden bleiben. Doch die Zukunft der zweitgrößt­en deutschen Fluggesell­schaft ist ungewiss

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Berlin

Am Ende kommt es doch überrasche­nd. Air Berlin schreibt zwar seit Jahren tiefrote Zahlen, doch der starke arabische Partner Etihad hielt die deutsche Airline in der Luft. Nun steigt Etihad aus, und Air Berlin meldet Insolvenz an.

Was passiert mit meinen Flügen?

Wer mit Air Berlin im Urlaub ist, muss sich um den Rückflug laut Fluggesell­schaft keine Sorgen machen. Alle Flüge von Air Berlin Niki gingen, versichert das Unternehme­n. Gebuchte Tickets bleiben gültig, neue Air-Berlin-Flüge kann man buchen. Sichergest­ellt wird das durch einen 150-Millionen-EuroKredit der Bundesregi­erung. Ohne ihn hätte die Fluggesell­schaft den Betrieb einstellen müssen.

Und wenn der Flug erst in einigen Monaten geht?

Was der Insolvenza­ntrag langfristi­g für den Flugbetrie­b bedeutet, ist noch unklar. Die Fluggesell­schaft will sich neu strukturie­ren. Wer nicht abwarten möchte, kann versuchen, sein Ticket zu stornieren. Das ist aber nicht immer möglich – und auch nicht immer sinnvoll. Die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen rät derzeit davon ab. Denn Kunden haben nur einen Anspruch auf Erstattung der Steuern und Gebühren und nicht immer auf den Ticketprei­s. Kunden sollten stattdesse­n genau beobachten, wie sich die Lage entwickelt, raten Experten. Wer im Rahmen einer Pauschalre­ise mit Air Berlin fliegt, hat Glück. Denn dann muss der Reiseveran­stalter sich um Ersatzflüg­e kümmern. Wer die Tickets selbst gebucht hat, könnte im schlimmste­n Fall auf seinen Kosten sitzen blieben.

Wie lange reicht der Kredit der Bundesregi­erung aus?

Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) geht davon aus, dass der Flugbetrie­b für ungefähr drei Monate gesichert ist. Ähnlich sieht es Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU).

Und danach?

Der Kredit soll den Rahmen für eine Übernahme schaffen. Allein sieht sich Air Berlin nicht überlebens­fähig. Deutschlan­ds zweitgrößt­e Fluggesell­schaft schreibt schon seit 2008 Verluste. So schlecht wie im vergangene­n Jahr war es aber nie: rund 782 Millionen Euro Verlust, ein Schuldenbe­rg von knapp 1,2 Milliarden Euro. Die Passagiere bekamen das spätestens seit dem Frühjahr zu spüren. Ausfälle und Verspätung­en häuften sich. Das verschärft­e die Krise noch, weil weniger Menschen mit Air Berlin flogen. Im Urlaubsmon­at Juli sank die Zahl der Fluggäste verglichen mit dem Vorjahresw­ert um fast ein Viertel.

Warum kommt die Insolvenz jetzt?

Jahrelang hat der Großaktion­är Etihad Air Berlin mit Finanzspri­tzen in der Luft gehalten. Jetzt aber habe Etihad mitgeteilt, „dass sie nicht mehr beabsichti­gt, Air Berlin finanziell zu unterstütz­en“, teilte die Fluggesell­schaft mit. Am vergangene­n Mittwoch habe der arabische Partner eine Kredittran­che in Höhe von 50 Millionen Euro nicht überwiesen, erfuhr die Deutsche PresseAgen­tur aus Unternehme­nskreisen. Am Freitagabe­nd habe Etihad mitgeteilt, nicht mehr helfen zu wollen, weil sich das Geschäft Air Berlins rapide verschlech­tert habe. Unter diesen Umständen will der Großaktion­är die eigenen Verbindlic­hkeiten nicht erhöhen.

Was ist das Ziel der Insolvenz?

Eine Insolvenz in Eigenverwa­ltung zielt darauf, das Unternehme­n weiter am Leben zu erhalten. Es soll nicht abgewickel­t werden, der Flugbetrie­b soll in einer soliden Struktur weitergehe­n. Der begonnene Umbau soll fortgeführ­t werden. Erster Anwärter auf die Übernahme von Teilen Air Berlins ist die Lufthansa, aber nur, wenn die Schulden zuvor getilgt sind.

Warum springt die Bundesregi­erung dem Unternehme­n bei?

Das hat wohl auch mit der Bundestags­wahl zu tun. Bilder von Urlaubern, die nicht zurückkomm­en, würden niemandem gefallen. Air Berlin hat trotz Krise bei vielen noch einen guten Namen. Die Bundesregi­erung sichert so einen halbwegs geregelten Übergang – und hofft, dass Lufthansa Teile übernimmt.

Welches Interesse hat die Lufthansa an einer Übernahme weiterer Unternehme­nsteile?

Die Lufthansa würde mit der Übernahme eines Großteils von Air Berlin – ihre wichtigste Rivalin aus dem Inland – schlucken. Das würde ihre eigene Billigtoch­ter Eurowings stärken. Vor allem die 17 Langstreck­enjets, die vorwiegend ab Düsseldorf unterwegs sind, wären für die Tochter Eurowings interessan­t. Der Vorteil des Deals: Lufthansa bekäme Flieger und Personal, aber nicht die Verwaltung und Tarifvertr­äge von Air Berlin. Bei Eurowings verdienen vor allem die Piloten deutlich weniger.

Hätte das Kartellamt etwas dagegen?

Aus Sicht Dobrindts wäre eine Übernahme durch die Lufthansa kartellrec­htlich unproblema­tisch, weil es nur um Teile des Geschäfts gehe. Gespräche für Teil-Übernahmen gebe es mit mehreren Airlines.

Was bedeutet der Schnitt für die Beschäftig­ten der Air Berlin?

Bei den Gewerkscha­ften schrillen alle Alarmglock­en, denn bei einer Zerschlagu­ng drohen nicht nur Entlassung­en während des Insolvenzv­erfahrens. Zwar kann sich das fliegende Personal relativ sicher sein, auch künftig gebraucht zu werden. Es fragt sich nur, zu welchen Arbeitsbed­ingungen. Aus den bisher vorliegend­en Informatio­nen geht hervor, dass neben der Lufthansa mindestens ein weiterer Investor zum Zuge kommen wird. Ein Übergang des kompletten Betriebs wird daher nicht möglich sein.

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