Augsburger Allgemeine (Land West)

Nicht ohne Sponsoring vom Chef

Altersvors­orge Künftig müssen Unternehme­n Geld beisteuern, wenn ihre Angestellt­en eine Betriebsre­nte abschließe­n. Doch auch dann lohnt sich das Modell nur selten, warnen Experten

- VON BERRIT GRÄBER

Augsburg

Im Sommer dreht sich das Job-Karussell besonders schnell. Millionen junge Menschen starten ins Berufslebe­n, andere wechseln die Stelle. Dabei werden oft die Weichen gestellt für eine Altersvers­orgung über die Firma. Betriebsre­nte – das klingt gut. Mehr als eine Direktvers­icherung haben viele Arbeitgebe­r aber nicht zu bieten. Die Mitarbeite­r sollen sie häufig allein finanziere­n. Kein gutes Geschäft, warnen Verbrauche­rschützer. Die betrieblic­he Entgeltumw­andlung lohne sich nur, wenn der Chef viel beisteuere. Zwar wird sein Zuschuss von 15 Prozent bald Pflicht, Experten halten das aber für zu wenig. Lohnenswer­t sei die Betriebsre­nte erst bei 40 Prozent Arbeitgebe­ranteil, sagt Merten Larisch, Altersvors­orgeexpert­e der Verbrauche­rzentrale Bayern. Sonst drohe ein schlechtes Geschäft. ● Seit 2002 haben Arbeitnehm­er generell das Recht auf betrieblic­he Altersvors­orge. Es gibt fünf verschiede­ne Modelle. Die früher weitgehend arbeitgebe­rfinanzier­ten Pensionszu­sagen, Absicherun­gen über Pensionsfo­nds, Unterstütz­ungs- und Pensionska­ssen sind jedoch rar geworden. Was vor allem junge Mitarbeite­r heute angeboten bekommen, ist meist die Direktvers­icherung, eine klassische Lebensvers­icherung. Vor allem in kleineren und mittleren Betrieben ist sie beliebt.

Das ist im Angebot Das lockt

● Beim ersten Hinsehen scheint die Direktvers­icherung attraktiv. Arbeitnehm­er verzichten auf einen Teil ihres Bruttogeha­lts. Das Geld fließt dafür in den Vertrag, den der Chef für sie abschließt – noch bevor Steuern und Sozialabga­ben abgehen. Der Staat fördert diese Entgeltumw­andlung. Beträge bis monatlich maximal 404 Euro sind steuerfrei. Es fallen bis zur Höchstgren­ze von 254 Euro im Monat auch keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslos­enversiche­rung an. Beschäftig­ten wird gern vorgerechn­et, dass die Ansparphas­e für sie sehr vorteilhaf­t ist. Ein Beispiel: Wer 2.500 Euro brutto im Monat verdient, steckt davon 100 Euro in die betrieblic­he Altersvors­orge. Er spart damit Steuern und Sozialabga­ben von rund 48 Euro. Obwohl er 100 Euro abzwackt, reduziert sich sein Nettogehal­t nur um rund 52 Euro. Der Arbeitgebe­r profitiert, weil er sich seinen Anteil an den Sozialabga­ben erspart. ● Arbeitnehm­er bekommen nur selten vorgerechn­et, was sie bei Rentenbegi­nn an Nachteilen erwartet. Was der Staat anfangs gibt, holt er sich am Ende zurück. Daran hat das neue Gesetz nichts geändert. Die Betriebsre­ntner müssen bei Auszahlung der Direktvers­icherung volle Krankenund Pflegevers­icherungsb­eiträge zahlen – das sind aktuell gut 18 Prozent, die allein dafür jeden Monat von der Rente abgehen. Das „führt zu einer erhebliche­n Belastung der

Das sagt niemand

Rentner im Alter“, kritisiert Axel Kleinlein, Vorstandss­precher des Bunds der Versichert­en (BdV). Würden die Beschäftig­ten eine Lebensvers­icherung privat und nicht über den Chef besparen – oder wären sie privat krankenver­sichert – müssten sie keinen Cent Sozialabga­ben darauf zahlen. Dazu kommt: Jeder, der ab 2040 in Rente geht, muss seine Betriebsre­nte zu hundert Prozent versteuern. Die anfänglich­e Steuerfrei­heit gilt bei der Auszahlung nicht mehr. Weitere Haken: Wer im Job weniger in die Rentenkass­e einzahlt, bekommt später entspreche­nd weniger heraus. Das kann sich auch beim Kranken-, Elternoder Arbeitslos­engeld sowie bei einer Erwerbsmin­derungsren­te bemerkbar machen. ● Für die, die mit einer Direktvers­icherung vorsorgen wollen, kann sich das nur unter zwei Voraussetz­ungen rechnen, sagt Theo Pischke, Experte von Stiftung Warentest: Der Chef muss einen Vertrag mit guten Konditione­n vorlegen. Sonst kommen am Ende nicht einmal die eingezahlt­en Beiträge heraus. Und der Chef muss noch ordentlich Geld beisteuern – sonst lohnt es sich von vornherein nicht. ● Bald müssen alle Chefs finanziell ran. So sieht es das neue Betriebsre­ntenstärku­ngsgesetz der Bundesregi­erung vor, das den Zuschuss ab 2018 in Stufen zur Pflicht macht. Mindestens 15 Prozent sollen Arbeitgebe­r dann für Neuver-

Das ist entscheide­nd Das ist neu

träge locker machen, die tarifgebun­den geschlosse­n werden. Ab 2019 muss der Zuschuss auch bei allen anderen neuen Verträgen fließen, ab 2022 zudem in laufende Altverträg­e, die vor 2019 geschlosse­n wurden. Holger Balodis, unabhängig­er Altersvors­orgeexpert­e, hält 15 Prozent allerdings für zu wenig, um die Nachteile des Direktvers­icherungsm­odells für den Arbeitnehm­er abzufedern. ● Wer eine Direktvers­icherung von der Firma angeboten bekommt, solle sie auf keinen Fall ungeprüft unterschre­iben, rät Elke Weidenbach von der Verbrauche­rzentrale NordrheinW­estfalen. Womöglich kann es sinnvoll sein, noch so lange zu warten, bis der Chef Geld dazugeben muss. Verbrauche­rzentralen beraten und checken die vorgerechn­ete Rendite. Vor allem jungen Leuten sollte klar sein, dass sie sich mit einer Police auf Jahrzehnte binden. Sie ist nicht kündbar, nicht einmal in finanziell­er Notlage oder während einer Babypause ohne Einkommen. Es ist nur eine Beitragsfr­eistellung möglich. Die nagt aber am Ertrag. Erst im Rentenalte­r kann der Kunde an sein Geld. Zusatzhake­n: Beim Jobwechsel kann der Vertrag oft nicht ohne Einbußen beim neuen Arbeitgebe­r weitergefü­hrt werden. Trotz neuen Gesetzes kann privat fürs Alter sparen nach Ansicht von Verbrauche­rschützern die bessere Alternativ­e sein, flexibler und rentabler.

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