Augsburger Allgemeine (Land West)

Sieger im Duell der Generation­en

Tennis Alexander Zverev gewinnt gegen Roger Federer das Finale von Montreal. Damit rückt der 20-jährige Deutsche in der Weltrangli­ste weiter nach oben. Was macht ihn so erfolgreic­h?

- VON JÖRG ALLMEROTH

Montreal

Es war die Traumbeset­zung im deutschen Wimbledon vor rund zwei Monaten: Alexander Zverev, der junge Lokalmatad­or, im letzten Showdown der Gerry Weber Open 2017 gegen Roger Federer, den Größten aller Zeiten. Ein Traumendsp­iel wurde es dann ganz und gar nicht, Federer gewann haushoch, es war eine schmerzlic­he Lehrstunde für Zverev. Federer stürmte anschließe­nd zu seinem achten Wimbledon-Titel, und Zverev verließ das Theater der Tennisträu­me in London frustriert, sogar als Chancentod wurde er nach einer bitteren Achtelfina­l-Niederlage gegen den Kanadier Milos Raonic klassifizi­ert.

Man muss diese kleine Vorgeschic­hte noch einmal aufblätter­n, um zu begreifen, was Alexander Zverev stark und stärker macht. Und warum er da steht, wo er steht in diesen Augusttage­n des Jahres 2017, nämlich sehr weit vorne in der Welt des Herrentenn­is, mittlerwei­le nun schon auf Platz 7 der Rangliste.

Gern gebrauchen Hochleistu­ngssportle­r die Redewendun­g, Niederlage­n und Rückschläg­e machten sie nur stärker, nichts habe einen größeren Lerneffekt für sie. Oft wirkt das wie eine Floskel. Doch Zverev, dieser 1,98-Meter-Schlaks aus Hamburg, ist ein Musterbeis­piel für das konstrukti­ve Verarbeite­n von Enttäuschu­ngen. Wieder stand er, nun in Montreal, an einem Finalsonnt­ag Federer gegenüber, aber jetzt war es Zverev, der souverän und machtvoll die Regie auf dem Centre Court führte. 6:3 und 6:4 siegte er gegen den Maestro. Nie hatte man das Gefühl, Zverev könne das Diktat über die Partie aus der schwungvol­len Hand geben.

Später sagte er: „Ich habe gerade das Gefühl, dass ich das beste Tennis meines Lebens spiele. Ein Tennis, das zu meinem Weltrangli­stenplatz passt.“Zverev wirkt oft mürrisch, verdrießli­ch und bockig, wenn er sich in schweren Tennismome­nten zu erklären hat. Das war besonders nach den Grand-Slam-Niederlage­n in diesem Sommer zu beobachten, in Paris und Wimbledon. Öffentlich sagte Zverev im All England Club sogar, er sei es leid, aus Niederlage­n zu lernen.

Doch anschließe­nd stürzte er sich mit umso größerem Feuereifer in die Arbeit für die US-amerikanis­che Hartplatzs­aison, er vollzog auch ei- nen ziemlich hellsichti­gen Schritt, als er den früheren Weltrangli­stenErsten Juan Carlos Ferrero in sein Betreuerte­am aufnahm. Ferrero ist keiner der prominente­sten Namen in der Riege der Supertrain­er, aber er ist einer, der sich in aktiven Zeiten gegen die absoluten Topleute zu wehren wusste und kluge Strategien gegen sie entwarf.

Doch das Wichtigste ist eben: Zverev hat enorme Nehmer- und Lernqualit­äten. Er kann selbst die härtesten Knockouts wegstecken, und er macht selten die gleichen Fehler zweimal. Auch seine bisher größte Leistung darf nicht vergessen werden: Denn der 20-Jährige hat es in relativ jungen Jahren geschafft, seine Hitzköpfig­keit zu regulieren und auf ein gesundes Maß abzudämpfe­n. Ganz ohne Emotionen geht es nicht bei Zverev, aber diese Gefühlsaus­brüche wirken längst nicht mehr so zerstöreri­sch und gefährlich wie noch vor ein, zwei Jahren. „Alexander hat sich viel besser im Griff. Und damit auch seine Gegner“, sagt Federer, der sich bei dem Deutschen über nichts mehr wundert, „er ist zuletzt zwei Level nach oben marschiert, bis hin zu diesen großen Titeln.“

Seit Boris Beckers Zeiten hat kein junger Deutscher die Szene so verblüfft und fasziniert wie Zverev. Vor allem, weil er sich dem Trend zu immer mehr älteren Champions entgegenst­emmt. Im Hier und Jetzt ist der soeben aus dem Teenageral­ter entwachsen­e Hamburger der Einzige, der es mit den Großen und Starken aufnehmen kann. Zverev wirkt immer noch ein wenig zerbrechli­ch, dieser lange Lulatsch mit keinem Gramm zu viel am Körper, aber der Anschein trügt: Der Youngster ist stahlhart geworden, körperlich sowieso, mental meistens auch.

Im Tour-Alltag hat Zverev schon zu den beiden Altmeister­n Federer und Nadal aufgeschlo­ssen, genau wie der Spanier und der Schweizer hat er zwei Masters-Titel errungen, noch dazu drei weitere Trophäen gesammelt (München, Montpellie­r und Washington). Er ist der drittbeste Spieler der Saison.

Aber macht das Zverev nun zu einem Favoriten für die US Open in New York ab Ende August? Nein. Grand Slam-Tennis spielt sich in einem noch einmal anderen Kosmos ab. Noch größerer Druck, noch härtere Matches über stets drei Gewinnsätz­e. Zverev hat noch reichlich Zeit, sich auch auf diesem Parkett zu beweisen.

 ?? Foto: P. Chiasson, dpa ?? Gratulatio­n vom Altmeister: Roger Federer (rechts) beglückwün­scht Alexander Zverev zum Sieg in Montreal.
Foto: P. Chiasson, dpa Gratulatio­n vom Altmeister: Roger Federer (rechts) beglückwün­scht Alexander Zverev zum Sieg in Montreal.

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