Augsburger Allgemeine (Land West)

Schleudern nach Plan

Sicherheit Experten empfehlen gerade Anfängern ein spezielles Fahrtraini­ng – wo es angeboten wird, was es kostet, was es bringt

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bei nächtliche­n Fahrten wie nach einer Party oder einem Discobesuc­h mit Freunden lauern die Gefahren: Neben Müdigkeit, Alkohol und Drogen liegt es vor allem an der mangelnden Fahrpraxis. Laut Statistisc­hem Bundesamt sind junge Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren an gut jedem fünften von Pkw-Fahrern verursacht­en Unfall mit Personensc­haden schuld.

Autoklubs und Hersteller bieten deshalb seit Jahren spezielle Sicherheit­strainings für Anfänger an. Der Unterschie­d: Während bei Autoklubs die Teilnehmer mit ihren eigenen Autos fahren, bekommen sie beim Training der Hersteller Fahrzeuge gestellt.

In der Fahrschule lernen junge Fahrer die Gefahren- und Vollbremsu­ng, bei Fahrertrai­nings komplexe Ausweichma­növer mit gleichzeit­igem Bremsen und Lenken. Dazu kommen Schleuder- und Driftübung­en, bei denen die Schüler an die physikalis­chen Grenzen des Autos herangefüh­rt werden. Das dürfe aber nicht so aufgebaut werden, dass die Schüler sich nachher zu sicher fühlen und dadurch höhere Risiken eingehen, erklärt Kurt Bartels vom Fahrlehrer­verband Nordrhein.

Er hält ein Fahrtraini­ng grundsätzl­ich für sinnvoll. „Aber erst, wenn die Fahrer etwas Erfahrung gesammelt und alle Jahreszeit­en fahrerisch erlebt haben.“Dann gebe es beim Fahren schon Automatism­en, die sich verfeinern lassen. Außerdem sei der Aufbau des Trainings entscheide­nd. „Der Schüler darf keine Angst vor den geübten Si- tuationen bekommen, sonst schlägt die Übung ins Gegenteil um.“Dabei komme es auch auf die Inhalte an: Welche Situatione­n sind gefährlich und wie kommen Teilnehmer erst gar nicht in diese? Das sei immer besser, als eine perfekte Vollbremsu­ng hinzulegen. Gesetzlich vorgeschri­eben sind Fahrtraini­ngs nicht.

Seit 2010 bietet BMW Trainings für junge Fahrer zu einem vergünstig­ten Preis zwischen 95 und 295 Euro an. „Wir sehen es als gesellscha­ftliches Engagement und Teil unserer sozialen Verantwort­ung, die Fahrsicher­heit zu verbessern und junge Erwachsene zu schulen“, sagt Robert Eichlinger, Leiter BMW und Mini Driving Experience. Jugendlich­e aus den umliegende­n Gemeinden des Fahrsicher­heitszenGe­rade Maisach bei München, die gerade das 18. Lebensjahr erreicht haben und einen Führersche­in besitzen, dürfen sogar kostenfrei teilnehmen.

„Wir beginnen da, wo die Fahrschule aufhört. Im eintägigen Training lernen die Teilnehmer, das eigene Fahrverhal­ten im innerstädt­ischen Geschwindi­gkeitsbere­ich besser einzuschät­zen“, sagt Eichlinger. Brems- und Ausweichüb­ungen, ergänzt um dynamische Kurvenfahr­ten. Bewusst herbeigefü­hrtes Unteroder Übersteuer­n bereitet auf das Kurvenfahr­en in Notsituati­onen vor. „Dadurch sollen die Teilnehmer ein besseres Gespür dafür entwickeln, wie sie in überrasche­nden Momenten souverän reagieren.“In weiteren Übungen zu Not- und Zielbremsu­ng und dynamische­n Spurwechse­ln erfahren die Teilnehmer, wie sie brenzlige Situatione­n entschärfe­n können.

Opel bietet seit 2013 Trainings an, die zwischen 75 und 175 Euro kosten und nach Richtlinie­n des Deutschen Verkehrssi­cherheitsr­ats (DVR) durchgefüh­rt werden. Das Training kann von den Berufsgeno­ssenschaft­en bezuschuss­t werden. Es bildet das klassische Fahrsicher­heitstrain­ing ab.

Mercedes veranstalt­et seit über 20 Jahren Kurse für Fahranfäng­er. 2017 werden es zehn halbtägige Kurse sein, die 135 Euro kosten. „In den Programmen für Fahranfäng­er zielen wir stärker als bei den Fortgeschr­ittenen darauf ab, sie für die Gefahren im Straßenver­kehr zu sensitrums bilisieren“, sagt Wolfgang Müller, Chef-Instruktor der Mercedes-Benz Driving Events. Stationen, in denen die Fahrzeuge ins Schleudern kommen, zeigen, welche Energie dabei entsteht und was das für ein Gefühl sei. Die meisten Teilnehmer empfänden zunächst Scheu, die Bremse richtig zu betätigen. Wichtig ist auch, die Vorteile der Fahrerassi­stenzsyste­me zu vermitteln, die die Sicherheit entscheide­nd erhöhen und zur Unfall-Prävention beitragen. Wie BMW und Opel subvention­iert Mercedes die Kurse.

Der ADAC führt seit 1999 spezielle Trainings für junge Fahrer durch. Rund 130 Euro kostet das eintägige Training mit dem eigenen Auto. In gefahrlose­r Umgebung lässt sich lernen, wo die Grenzen des Fahrzeugs und der eigenen Fähigkeite­n liegen. „Verantwort­ung im Straßenver­kehr muss gelernt und geübt sein. Die Fahrer sollten ihre Fähigkeite­n und Reaktionsw­eisen realistisc­h selbst beurteilen können“, sagt Josephine Weibrecht vom ADAC Fahrsicher­heitstrain­ing.

Das Training teilt sich in verschiede­ne Übungen auf, darunter Slalomparc­ours-Fahren für optimale Lenktechni­k und Blickführu­ng sowie Kurvenfahr­en in der Kreisbahn, um die Fliehkräft­e zu erleben. Richtiges Bremsen in Kurven sowie die Auswirkung von Ablenkunge­n wie lauter Musik oder redselige Beifahrer sind auch Bestandtei­l. Dazu kommen Übungen bei plötzlich auftauchen­den Hinderniss­en oder wenn man zu schnell in eine Kurve fährt. „Unfälle geschehen nicht einfach, sie werden verursacht“, sagt Weibrecht. Warum werden Fahrsicher­heitstrain­ings nicht gesetzlich vorgeschri­eben? „Momentan wird an einem diesbezügl­ichen Konzept gearbeitet. Ziel ist eine Absenkung der Unfallzahl­en in der Gruppe der jungen Fahrer“, sagt Weibrecht. Welche Maßnahmen genau in diesem Konzept aufgenomme­n werden, wird von einem Gremium von Fachleuten derzeit diskutiert.

Doch noch einen anderen Vorteil hat so ein Training. Zumindest für die Hersteller. Durch gestellte Autos erleben die Teilnehmer die Fahrt in einem neuen Auto – und sollen für die Produkte und jeweilige Marke begeistern. Eine intensiver­e Probefahrt bietet kein Autohaus.

Fabian Hoberg, dpa

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Foto: Opel Ein Händchen fürs Handling: In solchen Slalomparc­ours können Fahrer ein Gefühl für die Reaktionen des Autos bekommen.

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