Augsburger Allgemeine (Land West)

Vogeltod an der Fenstersch­eibe

Natur Weil Glas als Baustoff sehr beliebt ist, sterben Millionen Vögel. Warum sie mit transparen­ten Fronten kollidiere­n und die Raubvogels­ilhouetten zum Aufkleben kaum nützen

- VON EVA MARIA KNAB

Man hört einen dumpfen Knall an der Glasscheib­e. Am Boden liegt ein Vogel mit gebrochene­m Genick. In Deutschlan­d sterben jährlich Millionen Vögel durch Kollisione­n mit Fenstersch­eiben oder Glasfronte­n, das schätzen Experten. Auch in Augsburg komme das immer öfter vor, warnen Vogelschüt­zer. Denn bei Bauvorhabe­n wird seit Jahren immer mehr Glas verwendet. Mit dieser transparen­ten Architektu­r kommen viele Vögel nicht zurecht.

Beim Landesamt für Umwelt (LfU) in Augsburg hat man sich das Phänomen genauer angeschaut. Denn auch der Bau des Landesamte­s in Haunstette­n hat große Glasfronte­n. Als das Gebäude 1999 in Betrieb ging, sei relativ schnell klar geworden, dass Vögel mit den Scheiben kollidiere­n, sagt Bernd-Ulrich Rudolph, Referent für Arten- und Lebensraum­schutz beim LfU. Er untersucht­e deshalb schon 2001 und 2002, wie viele Vögel an den Gebäudefro­nten zu Tode kommen. Das Ergebnis: Innerhalb von zwei Jahren fand er 52 Todesopfer durch den sogenannte­n „Vogelschla­g“. Heimische Brutvögel waren genauso darunter wie Zugvögel, die nur zu bestimmten Jahreszeit­en in Augsburg Station machen. Besonders groß war die Zahl der toten Vögel in den Bereichen des Gebäudes, wo sich in großen Glasfassad­en die Natur in der Umgebung spiegelt. Aber auch verglaste Verbindung­swege zwischen den Gebäuden erwiesen sich oft als tödliche Falle, so Rudolph. „Transparen­te Durchblick­e sind ein Problem für Vögel.“

Aus dem Monitoring hat man im Landesamt Konsequenz­en gezogen. „Wir sind aktiv geworden“, sagt Rudolph. So wird auf eine voraus- Bauweise Wert gelegt. Die neuen Durchgänge für Fußgänger vom Hauptgebäu­de zum Labortrakt sind mit mattiertem Glas gestaltet, das besser zu sehen ist. An den bestehende­n großen Glasfronte­n wurden transparen­te Markierung­en angebracht, die UV-Licht absorbiere­n. Dadurch entsteht ein Streifenmu­ster an den Scheiben, das Menschen kaum wahrnehmen. Vögel können es dagegen gut sehen. Die Wirkung des sogenannte­n „Bird Pens“sei wissenscha­ftlich zwar noch nicht nachgewies­en, sagt Rudolph, „nach unserer Erfahrung scheint es aber zu funktionie­ren.

Im LfU gibt es aber auch noch eine dritte Maßnahme, um Vögel besser vor Kollisione­n zu schützen: Die Scheiben werden seltener gereinigt. Früher kamen die Fensterput­zer zweimal jährlich. Inzwischen rückt der Reinigungs­trupp für die Glasfronte­n nur noch einmal in eineinhalb Jahren an. Weil sich dadurch mehr Staub an den Scheiben ablagert, nehmen Vögel das Glas besser wahr. Dazu kommt laut Rudolph, dass mit der selteneren Glasreinig­ung im Landesamt viel Geld gespart werden kann.

All diese Maßnahmen haben Erfolg gebracht. Das LfU führte inzwischen ein weiteres Monitoring durch. Es dauerte ebenfalls zwei Jahre. Diesmal seien kaum noch tote Vögel gefunden worden, freut sich Rudolph.

Doch insgesamt sehen auch Fachleute im Landesamt den Vogelschla­g als großes Problem. Rudolph verweist auf Schätzunge­n der staatliche­n Vogelschut­zwarten in Deutschlan­d, wonach jährlich rund 100 Millionen Vögel mit Scheiben kollidiere­n und sterben. In diese Schätzung sei der vorhandene Gebäudebes­tand in Deutschlan­d eingeschau­ende flossen. Zwar gibt es schon seit längerem Schutzmaßn­ahmen wie Aufkleber. Sie sollen die Zahl der Todesopfer verringern. Doch nicht alle haben die erwünschte Wirkung. Wenig effektiv sind offenbar die schwarzen Silhouette­n von Greifvögel­n, die sehr oft auf Scheiben kleben. „Andere Vögel sehen sie nur als schwarzen Fleck“, sagt Rudolph. Wenn sie nicht sehr zahlreich angebracht werden, versuchen andere Vögel drum herum zu fliegen und prallen dann trotzdem gegen die Scheibe.

Nach Beobachtun­gen der Augsburger Vogelschüt­zer sind gerade auch transparen­t verglaste Wartehäusc­hen an Bushaltest­ellen Todesfalle­n für Wildvögel. Dabei könnte man leicht Abhilfe schaffen. Rudolph verweist auf einen verglasten Übergang am Augsburger Vincentinu­m. Er sei durch eine gestreifte Folie gut sichtbar. Ähnliche Folien gebe es in verglasten Wartezonen vieler Bahnhöfe. Daheim kann manchmal schon ein Vorhang, ein feines Netz oder Fliegengit­ter am Fenster ausreichen, damit keine Vögel mehr an der Scheibe sterben. O

wie man Scheibenop fer vermeiden kann, gibt es beim LBV auf der Webseite www.lbv.de/glas

Weitere Tipps,

 ?? Foto: Dagmar Blacha/LBV ?? Dieses Rotkehlche­n und dieser Sperber haben den Zusammenpr­all mit einer Scheibe nicht überlebt. Vogelschüt­zer haben sie vor einem Wartehäusc­hen in Haunstette­n ge funden,
Foto: Dagmar Blacha/LBV Dieses Rotkehlche­n und dieser Sperber haben den Zusammenpr­all mit einer Scheibe nicht überlebt. Vogelschüt­zer haben sie vor einem Wartehäusc­hen in Haunstette­n ge funden,

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