Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie Augsburg gegen Müllberge kämpft
Lebensstil Neue Konsumtrends wie Billigtextilien oder Einwegbecher verursachen viel Abfall. Ein bundesweiter Vergleich sieht Augsburg beim Müllvermeiden nur im Mittelfeld. Stimmt das?
Kaffeekapseln, Einwegbecher, Billigtextilien: Das Müllaufkommen in deutschen und europäischen Haushalten zählt zu den größten weltweit. Zu diesem Ergebnis kommen verschiedene Studien. Ein neues Ranking hat 200 Städte in Deutschland unter die Lupe genommen. Augsburg erreicht dort nur einen Platz im Mittelfeld. Aber müsste die Stadt nicht besser abschneiden? Denn es tut sich einiges in Sachen Müllvermeidung.
Bundesweit hat sich das Onlineportal billiger.de näher angeschaut, in welchen Städten Bürger den meisten Müll produzieren. Dafür wurden alle Bundesländer im Jahr 2015 unter die Lupe genommen (neuere Vergleichszahlen lagen nicht vor). Ergebnis: Hausmüllhochburg war Bremerhaven. Dort fielen statistisch 347 Kilogramm Restmüll pro Einwohner an. Zum besseren Verständnis: Restmüll ist der Abfall, der in Augsburg in der Grauen Tonne landet, wenn Wertstoffe und Bioabfall aussortiert sind.
Erfolgreichste Müllvermeider waren im Vergleich die Bürger im Landkreis Konstanz am Bodensee. Dort ermittelte die Studie nur 86 Kilo Restmüll pro Kopf und Jahr. Augsburg belegte einen mittleren Platz mit statistisch 185 Kilo Hausmüll jährlich pro Einwohner.
Wie kommt es zu diesen großen Unterschieden? Der Vergleichstest liefert auch dafür eine These. Er bringt das Müllaufkommen unter anderem mit der Sozialstruktur der Bevölkerung in Verbindung. Die Vermutung: Ärmere Menschen verursachen mehr Müll, weil sie öfter zu Billigprodukten greifen müssen, die eine geringere Lebensdauer haben.
Auch in Augsburg gibt es unter 293 000 Einwohnern einen großen Anteil von Bürgern mit geringem Einkommen. Aktuell würde die Stadt in Sachen Müllvermeidung im deutschen Städtevergleich allerdings deutlich besser abschneiden als früher, davon ist Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) überzeugt.
Nach Berechnungen des städti- Abfallwirtschaftsbetriebes fielen im vergangenen Jahr statistisch etwa 154 Kilo eingesammelter Restmüll pro Einwohner an, also deutlich weniger, als das OnlinePortal ermittelte. „Damit würde Augsburg eher einen Platz unter den Hausmüllvermeidern in Deutschland belegen“, sagt Erben. In der Realität fallen aber auch in Augsburg riesige Mengen Restmüll an. Jährlich sind es rund 45 000 Tonnen. Deshalb sei es auch ökologisch und ökonomisch besonders wichtig, Abfall zu vermeiden, so der Umweltreferent. „Der beste Abfall ist der, der gar nicht erst entsteht.“Erben verweist auf mehrere Initiativen der Stadt, um auf diesem Weg weiterzukommen.
Zum einen sollen Verbraucher mehr sensibilisiert werden, damit sie möglichst wenig Müll verursachen. Dafür wird demnächst ein weiterer Abfallberater neu eingestellt. Erben zufolge wird die Stelle gerade ausgeschrieben. Die zusätzliche Kraft sei von der Universität Augsburg empfohlen worden. Die Uni war in den vergangenen Jahren Projektpartner der Stadt, um einen neuen „Leitfaden für Abfallvermeidung“zu entwickeln. Dieser liegt inzwischen vor.
Der Abfallberater soll neue Konzepte auf den Weg bringen, auch um den problematischen Plastikmüll besser einzudämmen. Erben führt bereits Gespräche mit großen Bäckereien und Kaffeehausbetreibern in Augsburg, um ein neues Pfandsystem für Coffee-to-go-Becher einzuführen. Dabei kann er auf die Erfahrungen in einigen anderen deutschen Städten zurückgreifen, die solche Pfandsysteme schon haben. Ein schwieriges Thema in Augsburg sind nach wie vor Alttexschen tilien. Aus Analysen weiß der Umweltreferent, dass statistisch rund 27 Kilo pro Einwohner in der Tonne landen. 40 Prozent davon sind Altkleider. „Aktuell führen wir intensive Diskussionen, wie das Sammelsystem für Altkleider verbessert werden kann“, sagt Erben. Auch dadurch könne das Restmüllaufkommen verringert und die Wiederverwertung verbessert werden. Politisch entschieden ist aber noch nichts.
Insgesamt sehen Fachleute eine Entwicklung in Deutschland mit Sorge: „Mit der Müllvermeidung bei den privaten Verbrauchern verharren wir mehr oder weniger auf der Stelle“, sagt Wolfgang Rommel, Geschäftsführer des Umweltinstituts bifa in Augsburg. Erfolge auf der einen Seite werden durch Trends wie Einweg-Kaffeebecher oder modische Billigtextilien wieder zunichtegemacht. Auch Rommel verweist darauf, dass in Augsburg noch vergleichsweise viele Alttextilien im Restmüll landen. Beim Sammeln von Elektrokleingeräten sieht er Augsburg dagegen in einer Vorreiterrolle, und zwar durch die vielen Sammelcontainer, die von der Bevölkerung gut genutzt werden.
Was die Ergebnisse des neuen bundesweiten Müllrankings angeht, hält Wolfgang Rommel Vorsicht für geboten. Unter anderem seien die vorliegenden Zahlenwerte schwer miteinander vergleichbar. Umstritten sei auch die These, dass einkommensschwache Menschen mehr Müll produzieren, sagt der Forscher. „Wissenschaftlich belegt ist das nicht.“Es gebe auch die Vermutung, dass einkommensstärkere Haushalte mehr konsumieren und deshalb mehr Abfall verursachen.