Augsburger Allgemeine (Land West)
Bierbrauen ist hier Familiensache
Unser Essen Franz Schorer führt die Brauerei Staudenbräu in Walkertshofen bereits in der achten Generation. Die Rezeptur fürs Stauden Zwickel stammt aus seiner Feder / Serie (7)
Walkertshofen
Einmal pro Woche ist in der Brauerei Staudenbräu in Walkertshofen Hochbetrieb. Dann nämlich ist Abfülltag, und jeder, der anpacken kann, wird im Familienbetrieb benötigt, um das Bier in die Flaschen zu bringen. Das Band, das die Flaschen befördert, arbeitet zwar automatisch, doch Chef Franz Schorer weiß: „Keine zwei Minuten darf man das Band aus den Augen lassen.“Zu schnell könnte eine Flasche nicht ordentlich abgefüllt werden oder das Etikett falsch sitzen. Hier ist manuelle Kontrolle angesagt. Das, was Franz Schorer in seinem Betrieb einmal wöchentlich abfüllt, ist letztlich aber nur das Endprodukt, das mindestens neun Wochen Vorlauf braucht.
Wöchentlich setzt er einen oder gar zwei Sud Bier an. Ein Sud hat 2500 Liter und ergibt 250 Kisten. Das Bier der Brauerei Staudenbräu beginnt seinen Werdegang im Sudhaus. Das Sudwerk besteht aus Sudpfanne und Läuterbottich. Stolz weist Franz Schorer auf die Tafel an der Sudpfanne hin. 1967 wurde diese eingebaut – von Franz Schorers Großvater. Er selbst ist heute 35 Jahre alt und hat 2011 die Brauerei von seinem Vater übernommen. In der achten Generation wird heute in Walkertshofen von Familie Schorer Bier gebraut. Die Geschichte von Staudenbräu geht damit bis ins Jahr 1846 zurück.
Der 35-Jährige weiß von Bildern aus seiner Kindheit: „Ich war schon im Kinderwagen in der Abfüllerei dabei.“Diesen sieht man natürlich heute nicht mehr. Dafür parken die Söhne Max, 4, und Simon, 2, gerne mal ihr Spielzeugauto oder ihr Dreirad inmitten von gestapelten Bierkisten.
Zurück ins Sudhaus: Für die Brau-Mixtur ist vor allem das Wissen um die verschiedenen Sorten und Mischungen von Hopfen und Malz entscheidend. Wasser wird aus dem eigenen Brunnen zugegeben. Weizen wird benötigt, um das gleichnamige Bier zu brauen. Gerste benötigt Franz Schorer für das helle Bier – das Original nach einer Rezeptur von anno dazumal. Bei der Lebensmittelauswahl achtet der 35-Jährige darauf, regionale Produkte zu nutzen. Der Vorgang des Bierbrauens, der sich so kompakt darstellt, dauert in Walkertshofen etwa einen Tag. Dazu gehören auch Arbeitsschritte wie Aufkochen, Abkühlen und das Zusetzen von Hefe. Dieser Schritt passiert im Gärtank, welcher sich im Gärkeller befindet.
Für die komplette Gärung, bei der Kohlenstoffdioxid und Wärme freigesetzt werden, setzt Franz Schorer neun Wochen an. Eine Woche bleibt das Bier im Gärtank, acht Wochen darf es im Lagerkeller bei null Grad Celsius seinen Geschmack entfalten. Das passiert in großen doppelwandigen Tanks, in die das Bier durch ein kompliziertes Rohrsystem gelangt. Normal sei diese Zeitschiene heute nicht mehr, erklärt der Braumeister: „In großen Fabriken wird die Gärzeit schon mal auf weniger als zwei oder drei Wochen gekürzt.“Doch als Fabrikbesitzer sieht sich Schorer keinesfalls. Er ist Handwerker – und „a halbe Putzfrau“, wie er lachend ergänzt. Denn wenn gebraut wird, muss vorher, währenddessen und im Nachgang viel geputzt werden. Und am Abfülltag ereilt ihn dieses Schicksal noch mal.
So erklärt sich auch, dass Schorers Abfülltag schon morgens um 1 Uhr beginnt. Um etwa 6 Uhr kommen die fleißigen Helfer, die sich rund um die Abfüllanlage sammeln. Jeder hat seine Aufgabe. Die Flaschen verbringen zunächst eine Stunde in der Flaschenwaschmaschine. Darin befindet sich Natronlauge, die auf 90 Grad Celsius hochgeheizt wird. Allein dieser Heizvorgang dauert drei Stunden. Die Flaschen von 50 Kisten ergeben eine Waschladung. Beim Waschen werden die Flaschen nicht nur von Verschmutzungen gereinigt. Auch das Etikett wird abgelöst. Anschließend laufen die sauberen Flaschen aufs Band und werden im Ausleuchtkasten auf Beschädigungen geprüft. 2500 bis 3000 Flaschen laufen in Walkertshofen am Abfülltag pro Stunde übers Band. Zum Vergleich: In fabrikähnlichen Betrieben sind es 60000 bis 70000 Flaschen in der Stunde.
Nächste Station: der Flaschenfüller. Dort passiert Entscheidendes, denn das Staudenbräu-Bier kommt ohne Stabilisatoren und damit ohne chemische Zusatzstoffe aus. Etwa drei bis vier Monate ist das Bier so haltbar. Zum Vergleich: In einer fabrikähnlichen Bierbrauerei wird mit einer Haltbarkeit von mindestens einem Jahr produziert. Das ist auch nötig, um einen großräumigen Lieferradius zu ermöglichen. Franz Schorer hingegen möchte sich gar nicht vergrößern, sondern lieber weiterhin handwerklich tätig sein. 95 Prozent seiner Arbeit erfolgt manuell. In einer Fabrik zu arbeiten, in der die Sensorik fürs Bier verloren geht, kann sich der Braumeister nicht vorstellen.
Wichtig für die Haltbarkeit des Bieres ist: Der Sauerstoff muss vor dem Befüllen aus der Flasche weichen. Deswegen wird ein Vakuum in der Flasche erzeugt. Um zu verhindern, dass das Bier beim Einfüllen schäumt, werden die Flaschen unter zwei Bar Kohlendioxiddruck weitgehend frei von Sauerstoff abgefüllt. Dieses Verfahren nutzt Franz Schorer zugunsten einer für den regionalen Vertrieb ausreichenden Haltbarkeit ohne Stabilisierung. In Großbetrieben ist die Haltbarmachung indes gang und gäbe.
Exakt in dem Moment, in dem das Bier überzuschäumen droht, werden die Flaschen verkapselt. Um den übergelaufenen Schaum abzuwaschen, kommen die Flaschen anschließend direkt unter die Flaschen-Dusche. Die Etikettier-Maschine verpasst der Flasche dann den passenden Aufkleber. Die Packmaschine setzt 20 Flaschen auf einmal in eine Kiste. Die Kistenstapelmaschine setzt im letzten Arbeitsschritt vier Kisten aufeinander. Dann ist wieder Muskelkraft gefragt, um diese Kisten mit dem Sackkarren abzuholen.
Häufig werden die Kisten direkt im Gärraum – in dem es frostig kalt ist – gelagert. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Wer bei Staudenbräu direkt kauft, bekommt gekühltes Bier. Etwa 60 Prozent des gebrauten Biers gehen direkt an den Endverbraucher. 20 Prozent werden an Gaststätten geliefert, die das Bier auch in Fässern bekommen. Weitere 20 Prozent gehen an regionale Getränkemärkte, etwa in Diedorf, Steppach und Göggingen.
Gebraut und vor allem abgefüllt werde das, was eine Woche reichen muss, erklärt Franz Schorer. Dabei muss er regelmäßig vorausdenken, denn selbst Bier hat Saison. Im Winter mögen die Kunden eher das dunkle Bier. Zur Vorweihnachtszeit gibt es sogar ein Bockbier von Staudenbräu. Im Sommer hingegen sind eher helle Biersorten gefragt – und Franz Schorers Bier, das er selbst gebraut hat: das Stauden Zwickel. Der Hauptunterschied des Zwickels zur Sorte des Großvaters, der helles Bier gebraut hat, und zur Sorte des Vaters, der Weizen gebraut hat, ist, dass das Zwickel nicht gefiltert wird. Die Naturtrübe wird erhalten – und das sieht man deutlich, wenn man die Flaschen gegen das Licht hält. Warum der 35-Jährige diese Rezeptur brauen wollte, ist ganz klar: „Hier bleibt das Beste und Gesündeste am Bier erhalten.“