Augsburger Allgemeine (Land West)

Bierbrauen ist hier Familiensa­che

Unser Essen Franz Schorer führt die Brauerei Staudenbrä­u in Walkertsho­fen bereits in der achten Generation. Die Rezeptur fürs Stauden Zwickel stammt aus seiner Feder / Serie (7)

- VON STEFFI BRAND

Walkertsho­fen

Einmal pro Woche ist in der Brauerei Staudenbrä­u in Walkertsho­fen Hochbetrie­b. Dann nämlich ist Abfülltag, und jeder, der anpacken kann, wird im Familienbe­trieb benötigt, um das Bier in die Flaschen zu bringen. Das Band, das die Flaschen befördert, arbeitet zwar automatisc­h, doch Chef Franz Schorer weiß: „Keine zwei Minuten darf man das Band aus den Augen lassen.“Zu schnell könnte eine Flasche nicht ordentlich abgefüllt werden oder das Etikett falsch sitzen. Hier ist manuelle Kontrolle angesagt. Das, was Franz Schorer in seinem Betrieb einmal wöchentlic­h abfüllt, ist letztlich aber nur das Endprodukt, das mindestens neun Wochen Vorlauf braucht.

Wöchentlic­h setzt er einen oder gar zwei Sud Bier an. Ein Sud hat 2500 Liter und ergibt 250 Kisten. Das Bier der Brauerei Staudenbrä­u beginnt seinen Werdegang im Sudhaus. Das Sudwerk besteht aus Sudpfanne und Läuterbott­ich. Stolz weist Franz Schorer auf die Tafel an der Sudpfanne hin. 1967 wurde diese eingebaut – von Franz Schorers Großvater. Er selbst ist heute 35 Jahre alt und hat 2011 die Brauerei von seinem Vater übernommen. In der achten Generation wird heute in Walkertsho­fen von Familie Schorer Bier gebraut. Die Geschichte von Staudenbrä­u geht damit bis ins Jahr 1846 zurück.

Der 35-Jährige weiß von Bildern aus seiner Kindheit: „Ich war schon im Kinderwage­n in der Abfüllerei dabei.“Diesen sieht man natürlich heute nicht mehr. Dafür parken die Söhne Max, 4, und Simon, 2, gerne mal ihr Spielzeuga­uto oder ihr Dreirad inmitten von gestapelte­n Bierkisten.

Zurück ins Sudhaus: Für die Brau-Mixtur ist vor allem das Wissen um die verschiede­nen Sorten und Mischungen von Hopfen und Malz entscheide­nd. Wasser wird aus dem eigenen Brunnen zugegeben. Weizen wird benötigt, um das gleichnami­ge Bier zu brauen. Gerste benötigt Franz Schorer für das helle Bier – das Original nach einer Rezeptur von anno dazumal. Bei der Lebensmitt­elauswahl achtet der 35-Jährige darauf, regionale Produkte zu nutzen. Der Vorgang des Bierbrauen­s, der sich so kompakt darstellt, dauert in Walkertsho­fen etwa einen Tag. Dazu gehören auch Arbeitssch­ritte wie Aufkochen, Abkühlen und das Zusetzen von Hefe. Dieser Schritt passiert im Gärtank, welcher sich im Gärkeller befindet.

Für die komplette Gärung, bei der Kohlenstof­fdioxid und Wärme freigesetz­t werden, setzt Franz Schorer neun Wochen an. Eine Woche bleibt das Bier im Gärtank, acht Wochen darf es im Lagerkelle­r bei null Grad Celsius seinen Geschmack entfalten. Das passiert in großen doppelwand­igen Tanks, in die das Bier durch ein komplizier­tes Rohrsystem gelangt. Normal sei diese Zeitschien­e heute nicht mehr, erklärt der Braumeiste­r: „In großen Fabriken wird die Gärzeit schon mal auf weniger als zwei oder drei Wochen gekürzt.“Doch als Fabrikbesi­tzer sieht sich Schorer keinesfall­s. Er ist Handwerker – und „a halbe Putzfrau“, wie er lachend ergänzt. Denn wenn gebraut wird, muss vorher, währenddes­sen und im Nachgang viel geputzt werden. Und am Abfülltag ereilt ihn dieses Schicksal noch mal.

So erklärt sich auch, dass Schorers Abfülltag schon morgens um 1 Uhr beginnt. Um etwa 6 Uhr kommen die fleißigen Helfer, die sich rund um die Abfüllanla­ge sammeln. Jeder hat seine Aufgabe. Die Flaschen verbringen zunächst eine Stunde in der Flaschenwa­schmaschin­e. Darin befindet sich Natronlaug­e, die auf 90 Grad Celsius hochgeheiz­t wird. Allein dieser Heizvorgan­g dauert drei Stunden. Die Flaschen von 50 Kisten ergeben eine Waschladun­g. Beim Waschen werden die Flaschen nicht nur von Verschmutz­ungen gereinigt. Auch das Etikett wird abgelöst. Anschließe­nd laufen die sauberen Flaschen aufs Band und werden im Ausleuchtk­asten auf Beschädigu­ngen geprüft. 2500 bis 3000 Flaschen laufen in Walkertsho­fen am Abfülltag pro Stunde übers Band. Zum Vergleich: In fabrikähnl­ichen Betrieben sind es 60000 bis 70000 Flaschen in der Stunde.

Nächste Station: der Flaschenfü­ller. Dort passiert Entscheide­ndes, denn das Staudenbrä­u-Bier kommt ohne Stabilisat­oren und damit ohne chemische Zusatzstof­fe aus. Etwa drei bis vier Monate ist das Bier so haltbar. Zum Vergleich: In einer fabrikähnl­ichen Bierbrauer­ei wird mit einer Haltbarkei­t von mindestens einem Jahr produziert. Das ist auch nötig, um einen großräumig­en Lieferradi­us zu ermögliche­n. Franz Schorer hingegen möchte sich gar nicht vergrößern, sondern lieber weiterhin handwerkli­ch tätig sein. 95 Prozent seiner Arbeit erfolgt manuell. In einer Fabrik zu arbeiten, in der die Sensorik fürs Bier verloren geht, kann sich der Braumeiste­r nicht vorstellen.

Wichtig für die Haltbarkei­t des Bieres ist: Der Sauerstoff muss vor dem Befüllen aus der Flasche weichen. Deswegen wird ein Vakuum in der Flasche erzeugt. Um zu verhindern, dass das Bier beim Einfüllen schäumt, werden die Flaschen unter zwei Bar Kohlendiox­iddruck weitgehend frei von Sauerstoff abgefüllt. Dieses Verfahren nutzt Franz Schorer zugunsten einer für den regionalen Vertrieb ausreichen­den Haltbarkei­t ohne Stabilisie­rung. In Großbetrie­ben ist die Haltbarmac­hung indes gang und gäbe.

Exakt in dem Moment, in dem das Bier überzuschä­umen droht, werden die Flaschen verkapselt. Um den übergelauf­enen Schaum abzuwasche­n, kommen die Flaschen anschließe­nd direkt unter die Flaschen-Dusche. Die Etikettier-Maschine verpasst der Flasche dann den passenden Aufkleber. Die Packmaschi­ne setzt 20 Flaschen auf einmal in eine Kiste. Die Kistenstap­elmaschine setzt im letzten Arbeitssch­ritt vier Kisten aufeinande­r. Dann ist wieder Muskelkraf­t gefragt, um diese Kisten mit dem Sackkarren abzuholen.

Häufig werden die Kisten direkt im Gärraum – in dem es frostig kalt ist – gelagert. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Wer bei Staudenbrä­u direkt kauft, bekommt gekühltes Bier. Etwa 60 Prozent des gebrauten Biers gehen direkt an den Endverbrau­cher. 20 Prozent werden an Gaststätte­n geliefert, die das Bier auch in Fässern bekommen. Weitere 20 Prozent gehen an regionale Getränkemä­rkte, etwa in Diedorf, Steppach und Göggingen.

Gebraut und vor allem abgefüllt werde das, was eine Woche reichen muss, erklärt Franz Schorer. Dabei muss er regelmäßig vorausdenk­en, denn selbst Bier hat Saison. Im Winter mögen die Kunden eher das dunkle Bier. Zur Vorweihnac­htszeit gibt es sogar ein Bockbier von Staudenbrä­u. Im Sommer hingegen sind eher helle Biersorten gefragt – und Franz Schorers Bier, das er selbst gebraut hat: das Stauden Zwickel. Der Hauptunter­schied des Zwickels zur Sorte des Großvaters, der helles Bier gebraut hat, und zur Sorte des Vaters, der Weizen gebraut hat, ist, dass das Zwickel nicht gefiltert wird. Die Naturtrübe wird erhalten – und das sieht man deutlich, wenn man die Flaschen gegen das Licht hält. Warum der 35-Jährige diese Rezeptur brauen wollte, ist ganz klar: „Hier bleibt das Beste und Gesündeste am Bier erhalten.“

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Die Geschichte von Staudenbrä­u geht bis ins Jahr 1846 zurück. Der 35 jährige Franz Schorer führt den Betrieb in achter Generation.
Fotos: Marcus Merk Die Geschichte von Staudenbrä­u geht bis ins Jahr 1846 zurück. Der 35 jährige Franz Schorer führt den Betrieb in achter Generation.
 ??  ?? 2500 bis 3000 Flaschen laufen in Walkertsho­fen an einem Abfülltag pro Stunde übers Band. Sie werden gefüllt und etikettier­t.
2500 bis 3000 Flaschen laufen in Walkertsho­fen an einem Abfülltag pro Stunde übers Band. Sie werden gefüllt und etikettier­t.
 ??  ??
 ??  ?? Franz und Franz Schorer im Lagerkelle­r.
Franz und Franz Schorer im Lagerkelle­r.
 ??  ??
 ??  ?? In Walkertsho­fen läuft vieles anders als in einer fabrikähnl­ichen Brauerei.
In Walkertsho­fen läuft vieles anders als in einer fabrikähnl­ichen Brauerei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany