Augsburger Allgemeine (Land West)

Angst oder Aggression?

Justiz Vor Gericht muss sich ein wohl dementer Rentner verantwort­en. Er war mit einer Waffe erwischt worden. Unterwegs zum Freund der Tochter

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Ingolstadt

War er mit der Waffe losgezogen, um sie vielleicht sogar gegen den Liebhaber seiner Tochter zu richten? Dafür, für einen aktiven Tötungsvor­satz, gab es gestern vor dem Landgerich­t Ingolstadt keinerlei Hinweise. Oder hatte der 70-Jährige die Zastava M57 nur dabei gehabt, um sich vor dem Freund der Tochter zu schützen? Im Falle des Falles. Weil er Angst hatte. So sagte es der Ingolstädt­er gestern im Gerichtssa­al. Mit diesem Geständnis hätte der Fall schnell geklärt gewesen sein können. Allerdings muss die 5. Strafkamme­r unter Vorsitz von Richter Thomas Denz dabei einiges mehr bedenken.

Denn es geht in dem Verfahren auch darum, ob der Rentner dauerhaft in einer Psychiatri­e untergebra­cht bleibt. Die forensisch-psychiatri­sche Gutachteri­n hat bei ihm den Beginn einer besonderen Form der Demenz diagnostiz­iert. Wie gefährlich ist er erkrankt mit Pistole?

Der Angeklagte muss sich wegen eines Verstoßes gegen das Waffengese­tz verantwort­en. Er war Ende Januar von der Polizei mit der halb automatisc­hen Waffe in Ingolstadt erwischt worden. Seine Tochter hatte zuvor die Polizei verständig­t. Vorher hatte sie mit ihrem Vater wohl erneut über ihren Partner gesprochen. Der soll sie immer wieder misshandel­t und auch vergewalti­gt haben. Es gab Anzeigen, die Verfahren wurden aber eingestell­t. Ob die Beziehung zu ihm noch immer besteht, wollte die Frau gestern nicht sagen. Sie machte im Gerichtssa­al teilweise von ihren Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch. Was es für die Kammer nicht leichter macht.

Als die Polizei ihren Vater im Januar auf der Suche nach ihrem Liebhaber abfing, hatte er sich widerstand­slos festnehmen lassen. Seine Waffe war geladen, entsichert und schussbere­it. Und der Mann ist einschlägi­g vorbestraf­t. Die Polizei hatte vor Jahren schon einmal zwei Pistolen bei ihm gefunden, für die er keinen Schein hatte.

Es gibt – abgesehen von der Vorgeschic­hte des mutmaßlich­en Beziehungs­dramas der Tochter – keinen Geschädigt­en in dem Fall. Es gibt nur einen älteren Herren, der mit einer Kurzwaffe erwischt wurde. Die Frage ist: Besteht Gefahr, dass er diese irgendwann benutzt?

Die psychiatri­sche Gutachteri­n schließt das nicht aus. Seine Hemmschwel­le sinke krankheits­bedingt. Der Angeklagte sei deshalb vermindert schuldfähi­g gewesen. Er müsse aber in der Psychiatri­e bleiben und sich behandeln lassen. Denn es könne sein, dass sich alles wiederhole. Was, wenn er einmal tatsächlic­h abdrücken sollte?

Die Kammer ließ erkennen, dass sie zumindest Zweifel hegt, diesem Gefährdung­spotenzial auch „juristisch gerecht zu werden“. Das Urteil fällt heute.

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