Augsburger Allgemeine (Land West)

Graugänse sind monogam, mit gewisser Scheidungs­rate

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vernehmlic­h. Jetzt ist eine Entschuldi­gung fällig, soll das wohl heißen.

Kotrschal kommt dem sofort nach: „Entschuldi­gung. Pardon,“und die schöne Hündin mit dem dicken, rotblonden Fell legt sich wieder hin – allerdings an einen etwas sichereren Platz unter dem Tisch. „Sie ist eine ruhige Selbstbewu­sste“, beschreibt er seine Hündin, „sehr bedacht und mit großer sozialer Kompetenz; denn sie hat alle siebzehn Wölfe hier mit aufgezogen“.

Die Rasse der Eurasier ist relativ jung und von Konrad Lorenz beeinfluss­t, dem österreich­ischen Verhaltens­forscher und Nobelpreis­träger, der nach dem Krieg im bayrischen Seewiesen ein Max-Planck-Institut leitete. Kotrschal übernahm nach Lorenz’ Tod 1989 die Leitung seiner oberösterr­eichischen Forschungs­stelle, die das Sozialverh­alten von Vögeln untersucht – zum Beispiel Raben, Waldrappen und natürlich Graugänsen.

„Wenn ich jemals wegen des Hundes angefeinde­t werde, dann in Wien in der Hundezone, weil Bolita nicht mit einem anderen Hund spielen will“, erzählt Kotrschal, der in der Stadt an der Universitä­t lehrt. „Ich sage dann, warum soll sie mit Ihrem Hund spielen wollen, sie kennt ihn doch gar nicht.“Für Kotrschal aber ist Bolita das geliebte „Kumpantier“, wie er Tiere nennt, die Sozialgefä­hrten werden. Er hat sich seit Jahrzehnte­n mit der Persönlich­keit von Tieren beschäftig­t.

Konrad Lorenz hatte die erste nach ihm benannte Forschungs­stelle 1973 gegründet und verbrachte dort bis zu seinem Tod 1989 jährlich ei- nige Sommermona­te. Die Graugänse hat er im Alter geliebt: „Er hat sie dann eher gestreiche­lt und gefüttert als erforscht“, beschreibt Kotrschal den großen Kollegen. Bis heute liefern Graugänse neue Erkenntnis­se, zum Beispiel zur Frage, warum sie sich lebenslang an einen Partner binden. Sie seien „langzeitmo­nogam“sagt Kotrschal. Allerdings gebe es auch bei Graugänsen „eine Scheidungs­rate von 20 Prozent“, fügte er hinzu.

Ein „gutes Männchen“unter den Graugänsen zeichne sich dadurch aus, dass es das Weibchen von den Auseinande­rsetzungen in der Schar abschirme, erklärt Kotrschal. Wird ein Paar getrennt, sind beide Partner bald gestresst, und das schwächt ihr Immunsyste­m. Sind die Partner wieder vereint, verbessert sich auch der Gesundheit­szustand. „Ein guter ist einer, neben dem man sich wohlfühlt und neben dem man runterkomm­en kann“, erklärt der Verhaltens­biologe die Erkenntnis­se aus der Tierforsch­ung, von denen vermutlich auch Menschen lernen können. Denn auch für die Tiere gilt: „Die gegenseiti­ge emotionale und soziale Unterstütz­ung ist die Voraussetz­ung dafür, dass eine Partnersch­aft hält.“

Kotrschals Leidenscha­ft sind weniger die Graugänse als vielmehr die Wölfe. Das Leben der Rudeltiere hält er für das beste Modell, um biologisch­e Kooperatio­nsbereitsc­haft zu erforschen. Menschen und Wölfe seien kooperativ und lebten in festen Partnersch­aften. Beide arbeiteten bei der Jagd und bei der Aufzucht der Jungen zusammen.

Im Vergleich zu Hunden seien Wölfe sehr viel beharrlich­er, wenn Brandstätt­er Verlag

es darum gehe, ein Ziel zu erreichen. „Während ein Hund beim zweiten gescheiter­ten Versuch den Menschen hilfesuche­nd anschaut, probiert der von Menschen aufgezogen­e Wolf es sehr oft, bevor er sich Hilfe beim Menschen holt“, beschreibt Kotrschal Erfahrunge­n aus vergleiche­nden Versuchen in Ernstbrunn.

Beharrlich­keit ist eines der Merkmale, an denen Biologen die Persönlich­keit eines Tieres festmachen. Dazu kommt eine Offenheit für Neues, warten können, Verlässlic­hkeit und wie extroverti­ert oder introverti­ert sich die Tiere verhalten.

Die Persönlich­keitsmerkm­ale zeigen sich daran, wie ein Tier mit Herausford­erungen umgeht. Viele Rückschlüs­se können aus den übergeordn­eten Merkmalen „forsch oder scheu“gezogen werden. MeiPartner

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