Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Löscharbei­ten beginnen

Ausschreit­ungen Nach den Auseinande­rsetzungen zwischen Fans von Rostock und Berlin geht der Verband auf die Ultras zu. Ein Politiker bringt sogar die Erlaubnis von Pyrotechni­k ins Gespräch

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Frankfurt am Main

In dem festgefahr­enen Streit um die zunehmende­n Fan-Ausschreit­ungen in einigen Stadien kommen der Deutsche Fußball-Bund und auch ein erster Landesinne­nminister der umstritten­en Ultra-Bewegung weit entgegen. DFB-Präsident Reinhard Grindel kündigte an, die viel kritisiert­en Kollektivs­trafen für Fußball-Fans zumindest vorübergeh­end aussetzen zu lassen. „Bis auf Weiteres“wolle man „keine Sanktionen wie die Verhängung von Blocksperr­en, Teilaussch­lüssen oder Geisterspi­elen mehr“, sagte Grindel in einer Erklärung des Verbandes.

Der DFB werde seinem Kontrollau­sschuss empfehlen, „bis auf Weiteres darauf zu verzichten, Strafen zu beantragen, die unmittelba­re Wirkung auf Fans haben, deren Beteiligun­g an Verstößen gegen die Stadionord­nung nicht nachgewies­en ist“. Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius ging in einem Sport Bild-Interview sogar noch weiter und regte an, die von den Ultras so geliebte Pyrotechni­k zumindest in bestimmten Bereichen eines Stadions zuzulassen. Bengalos seien „gefährlich, das kann man nicht einfach mal so abfeuern“, meinte der SPDPolitik­er. „Nun sage ich: Okay, wenn einige Ultras-Gruppen ganz viel Wert darauf legen, Pyrotechni­k zu zünden, kann man sich darüber unterhalte­n, dafür bestimmte Bereiche im Stadion zu schaffen.“

Sein bayerische­r Amtskolleg­e Joachim Herrmann sieht das anders. „Pyrotechni­k hat in unseren Fußballsta­dien nichts verloren. Daran gibt es nichts zu rütteln“, sagte der CSU-Politiker. Es sei naiv zu glauben, dass die Probleme mit gewaltbere­iten Fußballcha­oten auf diese Weise gelöst werden könnten. „Gerade erst haben Ultrabeweg­ungen zum Krieg gegen den DFB aufgerufen. Jetzt gegenüber den gewaltbere­iten Ultras die „weiße Fahne“zu hissen, ist das absolut falsche Signal.“

Teile der sogenannte­n Ultra-Bewegung auf der einen sowie Verbände wie der DFB und die Deutsche Fußball Liga auf der anderen Seite stehen sich seit Monaten unversöhnl­ich gegenüber. Die Unterbrech­ung des Pokalspiel­s zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC (0:2) am Montag hatte die Debatte um Fankrawall­e in Deutschlan­d ausgerechn­et in der Woche des Bundesliga-Starts wieder erhitzt. Gerade die Kollektivs­trafen und die Pyrotechni­k sind für die Ultras zentrale Begriffe in dieser Auseinande­rsetzung. Boris Pistorius möchte am 11. November einen Fußball-Gipfel in seinem Bundesland abhalten, an dem sowohl Profiverei­ne als auch Fangruppen teilnehmen sollen.

Das Bündnis „Pro Fans“zum Beispiel hatte in der Vergangenh­eit eine Abschaffun­g der Kollektivs­trafen immer zu einer Bedingung für seine Teilnahme an diesem Treffen erklärt. „Vielleicht ist das das Zeichen, auf das wir lange gewartet haben“, sagte sein Sprecher Sig Zelt. „Es gibt bei uns immer noch Skepsis. Aber wenn es so ein Signal gibt, wollen wir Herrn Grindel gern beim Wort nehmen.“

„Es ist Zeit zum Innehalten. Es ist Zeit zum Umdenken“, schrieb der DFB-Präsident in seiner Erklärung. „Wir wollen ein Zeichen setzen, um gemeinsam in den Dialog einzutrete­n.“Der DFB ist dafür bereit, zumindest zeitweise auf die Ultra-Forderung nach der Abschaffun­g von Kollektivs­trafen einzugehen. Der Verband fordert umgekehrt aber auch: „Verzicht auf Gewalt.“

Grindel lud Ultra-Vertreter ein, sich endlich mit dem DFB, seiner Arbeitsgru­ppe Fankulture­n sowie anderen Fan-Organisati­onen an einen Tisch zu setzen. „Wir müssen Vertrauen aufbauen, Missverstä­ndnisse ausräumen und gemeinsam klare Linien und Grenzen festlegen“, sagte er. Für diesen Vorstoß erhielt Grindel sofort die Zustimmung der Deutschen Fußball Liga. „Die Dialog-Initiative des DFBPräside­nten an alle Fan-Gruppen ist der richtige Schritt, um neues Vertrauen zu bilden. Miteinande­r statt übereinand­er reden – das muss die Devise sein“, sagten Ligapräsid­ent Reinhard Rauball und DFL-Geschäftsf­ührer Christian Seifert in einer gemeinsame­n Erklärung.

Auch Michael Gabriel, der Leiter der Koordinati­onsstelle Fanprojekt­e (KOS) in Deutschlan­d, hatte bereits am Dienstag nach den Ausschreit­ungen von Rostock in einem SkyIntervi­ew erklärt, eine Entspannun­g der Situation sei nur gemeinsam mit den Fans und nicht über ihren Kopf hinweg zu erreichen.

 ?? Foto: Matthias Koch, Imago ?? Der DFB überrascht mit seiner Ankündigun­g, auf Kollektivs­trafen zu verzichten. Nach den Ausschreit­ungen im Spiel zwischen Rostock und Berlin wurde eher damit gerechnet, dass der Verband zu härteren Maßnahmen gegen Gewalttäte­r greifen will.
Foto: Matthias Koch, Imago Der DFB überrascht mit seiner Ankündigun­g, auf Kollektivs­trafen zu verzichten. Nach den Ausschreit­ungen im Spiel zwischen Rostock und Berlin wurde eher damit gerechnet, dass der Verband zu härteren Maßnahmen gegen Gewalttäte­r greifen will.
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