Augsburger Allgemeine (Land West)
Gesucht: Ein neuer Name für „Obazda“
Spezialität Der Brotaufstrich gehört in vielen Biergärten zu den Standardgerichten. Doch jetzt gibt es ein Problem: Ein Wirtschaftsverband hat das Rezept von der EU schützen lassen. Gibt es bald nur noch Bräubazi und Bierkäs?
Der Himmel der Bayern lässt sich im Sommer von einem Biergarten aus entspannt betrachten. Dazu gehört ein kühles Getränk, vorzugsweise im Maßkrug serviert, und eine Brotzeit. Und für viele gehört aufs Brettl eine gute Portion Obazda. Doch damit könnte bald Schluss sein: Weil die bayerische Spezialität als geografische Angabe ins Verzeichnis der Europäischen Kommission eingetragen wurde, steht sie unter besonderem Schutz. Wer den Käse verkaufen möchte, muss nachweisen, dass er sich an die vorgegebene Rezeptur hält – und sich kostenpflichtig kontrollieren lassen.
Den Schutz beantragt hat der Dachverband der bayerischen Milchwirtschaft, ein Verein namens „Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft“(LVBM). „Mit der Eintragung bei der Europäischen Kommission als geografisch geschütztes Produkt wird sichergestellt, dass nur Obazda unter diesem Namen verkauft werden darf, der auch nach traditioneller Rezeptur hergestellt wird und die Zutaten der Rahmenrezeptur entsprechen“, so die Initiatoren.
Sie haben auch ein Grundrezept entwickelt, das sich an historischen Vorgaben orientieren soll (siehe Infokasten). Demnach besteht Obazda aus mindestens 40 Prozent Brie oder Camembert. Ein Rezeptvorschlag, bei dem Petra Ortner, Wirtin im Königsbrunner Trachtenheim, schallend lacht: „Schreiben Sie: Richtig gut schmeckt es, wenn man Romadur nimmt und ein wenig Weißbier in die Masse gibt.“Offiziell auf der Karte hat sie die Weichkäsespezialität nicht, nur manchmal gibt es auf dem Käsebrett Obazda. Angeschrieben ist er dann nicht.
Das ist auch gut so, denn wer mit der Spezialität werben will, muss sich ab sofort an das geschützte Rezept halten und dies bei Kontrollen nachweisen. Dazu müssen die Wirte einen Vertrag mit einer von drei zugelassenen Kontrollstellen für Lebensmittel abschließen und 300 Euro bezahlen. Bestehen sie die jährliche Kontrolle, bekommen sie ein EU-Zertifikat und dürfen auf ihrer Karte Obazda führen. Ähnliche geschützte Ursprungsbezeichnungen gibt es im Bereich Käse auch für Emmentaler, Bergkäse, Sennalpkäse und Weißlacker aus dem Allgäu.
Doch hier wird es problematisch: Die anderen geschützten Produkte sind alles Käsesorten, während der Obazda eine gute Möglichkeit zur Resteverwertung ist – ein Mischmasch aus Käseresten, Gewürzen und allem, was der Garten noch hergab. So haben sich bayernweit verschiedene Rezepte herausgebildet. Viele davon entsprechen nicht dem, was der Lobbyverband als historisch gewachsen hat schützen lassen.
Die Wirte stehen nun vor einem Dilemma: Entweder ändern sie ihr Rezept oder sie müssen sich einen anderen Namen für die Spezialität einfallen lassen. „Weichkäse nach Obazda Art“analog zum Schnitzel geht nicht, das ist durch die Schutzklausel ausgeschlossen. So geistern nun schon Worte wie „Bräubazi“, „Brezenkäs“oder „Bierkäs“durch die Gastroszene.
„Es ist schwierig, etwas so Traditionsreiches anders zu nennen“, findet Walter Fischer, Inhaber des Waldbiergartens Sommerkeller in Affing. Er würde Obazda eher gleich von der Speisekarte nehmen, als ihm einen neuen Namen zu geben oder eine Gebühr zu bezahlen. Er würde ihn nur deshalb auf der Karte behalten, „weil er den Leuten schmeckt“. Von der Initiative des Dachverbands der bayerischen Milchwirtschaft habe er noch nichts gehört. Drei Käsesorten vermischt er in seinem Rezept. Welchen, bleibt sein Geheimnis.
Auch bei Melanie Koller, Betreiberin des Landhausbräus in Hergertswiesen bei Eurasburg, gehört Obazda zur Karte: „Wir hängen sehr an dem Namen“. Da es auch sauer eingelegten Romadur gibt, könnte eine Namensänderung zu Verwechslungen führen. Koller würde deshalb eher das Rezept den Vorgaben anpassen als den Namen zu ändern. „Es hängt natürlich davon ab, was geändert werden müsste.“Denn der Obazda sollte schon noch so schmecken wie vorher.
Die Vertretung der Wirte, der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband, ist nicht begeistert: „In den letzten Jahren hat sich ein Trend zum Selbstkochen entwickelt, den man fördern möchte. Und gerade in Bayern gibt es ja noch eine Koch-Tradition. Es ist schade, wenn sie so gehemmt wird und Wirte entweder Rezepte ändern, industrielle Ware zukaufen oder Produkte umbenennen müssen“, sagt Pressesprecher Hans-Ulrich John. Der Verband versuche, alle Betriebe zu informieren. Gleichzeitig arbeitet man an einer Lösung, mit der Wirte, Gäste und die Initiatoren des Schutzes leben können.