Augsburger Allgemeine (Land West)
Endspiel um den Balkan
Großmachtpolitik Die USA und Russland gehen in die Offensive. Auch China und die Türkei pokern mit. Die EU gerät ins Hintertreffen
Belgrad
Seit Jahrhunderten ist der westliche Balkan Spielfeld für die Großmächte. Habsburg gegen Osmanen, westliches Wertesystem gegen kommunistische Staaten, hießen in der Geschichte die Paarungen. Jetzt geht es wieder um Macht und Einfluss auf dem Territorium des in den 90er Jahren zerfallenen Jugoslawien. Diesmal sind die USA und Russland in der Offensive. Aber auch China und die Türkei mischen mit, während die EU trotz größtem personellen und finanziellen Aufwand ins Hintertreffen gerät.
„Auf dem Balkan prallen Russland und die USA immer heftiger aufeinander“, analysierte vor wenigen Tagen die renommierte Nachrichtenseite t-portal des jüngsten EU-Mitglieds Kroatien: „Schon ein kleiner Konflikt kann das Pulverfass in Brand setzen.“„Serbien jongliert zwischen Brüssel und Moskau“, sorgt sich in dieser Woche die größte Belgrader Zeitung Blic. Und das serbische Novi Magazin sieht einen „russisch-amerikanischen Energiekrieg auf dem Boden Europas“– und den Balkan mittendrin.
Vor zwei Wochen besuchte USVizepräsident Mike Pence das kleine Montenegro, das in diesem Jahr trotz heftigster Gegenwehr Russlands der Nato beigetreten ist. „Hier auf dem Westbalkan arbeitet Russland an der Destabilisierung der Region, um Ihre Demokratie zu untergraben und sie auseinanderzudividieren“, sagte er vor praktisch allen Regierungschefs der Region. Die USA unterstützten auch unter Präsident Donald Trump Südosteuropa gegen Moskau.
Solche Kampfestöne riefen vor allem in Serbien Kritik hervor. Nicht Russland, der Westen sei es, der hier alles destabilisiere, schimpfte Außenminister Ivica Dacic. Belgrad versucht seit Jahren einen wahren Eiertanz. Dem EU-Kandidaten kann es mit einem Beitritt zur Union gar nicht schnell genug gehen. Mit dem historischen Freund Russland werden gleichzeitig Sonderbeziehungen gepflegt. So gibt es das „Serbisch-Russische Humanitäre Zentrum“in der drittgrößten Stadt Nis, das von Washington als Spionagezentrum bezeichnet wird. Zurzeit wird mit Moskau verhandelt über sechs gebrauchte MIG-29-Flugzeuge, Panzer und Flugabwehrsysteme.
Die USA setzen auf die Energieversorgung. Sie drängen Kroatien, endlich das geplante FlüssiggasTerminal auf der Insel Krk an der nördlichen Adria zu bauen. Das soll von Tankschiffen der USA gespeist und mit einem ähnlichen Anlandepunkt im polnischen Swinemünde verbunden werden. Südosteuropa soll so unabhängiger vom Gas aus Russland werden.
Auf Initiative Kroatiens und Polens wurde im letzten Jahr die „Drei-Meere“-Region (OstseeAdria-Schwarzes Meer) ins Leben gerufen. Zwölf Staaten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa wollen sich mit tatkräftiger Unterstützung der USA besonders intensiv gegen Moskau zur Wehr setzen.
Die EU beäugt den möglichen neuen Mitspieler mit Misstrauen. Ohnehin hat man in Brüssel bemerkt,