Augsburger Allgemeine (Land West)
Braucht Augsburg so viele Feste?
Debatte Warum die Mittelalterfans inzwischen die Qual der Wahl haben. Feiern ist in der wachsenden Großstadt ein immer größeres Thema. Das hat auch Tücken
Die Stimmung war super. Doch es kamen nicht genug Besucher zum Historischen Bürgerfest in den Rote-Torwall-Anlagen. Die Rechnung der Veranstalter ging nicht auf. Und damit stellt sich die Frage: Gibt es mittlerweile eine Inflation von Mittelalterfesten in und um Augsburg, so dass die Fans übersättigt sind?
Kaltenberger Ritterspiele, Altstadtfest „Friedberger Zeit“oder das „Wertachbrucker Thorfest“– allein im Großraum Augsburg gibt es viel Konkurrenz für das Historische Bürgerfest in den Wallanlagen. Das liegt daran, dass Mittelalterfeste bei einem größeren Publikum sehr beliebt und nachgefragt sind. Die Konkurrenz ist aber auch kein Nachteil. Konkurrenz belebt das Geschäft, sagt ein altes Sprichwort. Mit Blick aufs Feiern bedeutet das: Es muss ein attraktives Programm geboten sein, damit Gäste kommen. Beim Augsburger Bürgerfest war das der Fall. Bei schönem Wetter lief es fünf Tage rund. Dass in der zweiten Hälfte bei Dauerregen und Kälte kaum einer mehr im Freien sein wollte, versteht jeder. Das Wetter ist für alle Freiluftveranstaltungen immer ein unkalkulierbares Risiko.
Doch nicht nur Mittelalterfeste konkurrieren miteinander. In Augsburg kann inzwischen fast das ganze Jahr über gefeiert werden. Das Modularfestival, Straßengaukler bei La Strada, Lange Kunstnacht und Sommernächte in der Innenstadt, Plärrer, Stadtteilfeten, das sind nur einige Beispiele. Es gibt aktuell so viele Angebote, dass Anwohner teilweise sehr stark belastet werden. Aus ihrer Sicht wird es Zweifel daran geben, ob Augsburg wirklich ständig „bespielt“werden muss – und ob nicht bereits eine kritische Grenze überschritten ist. Strikte Auflagen der Stadt zum Lärm und anderen Immissionen bei Veranstaltungen sind deshalb unverzichtbar. Denn nur so bleibt die Toleranz für Augsburgs Feste in weiten Teilen der Bevölkerung erhalten. Und das ist wichtig.
Augsburg ist eine wachsende Großstadt. Die Einwohnerzahl nähert sich der Schallgrenze von 300 000. Auch im Städtetourismus gibt es einen Zuwachs. Daraus folgt, dass es auch mehr Bedarf an Freizeitangeboten und Unterhaltung für Menschen mit großem und kleinem Geldbeutel gibt. Die Stadt sollte für alle Bürger und Besucher attraktiv und lebenswert sein. Und zum „Wohlfühlgefühl“gehört eben auch ein lebendiges Großstadt- leben mit Festivitäten für viele verschiedene Zielgruppen.
Beim Feiern ist aber auch die richtige Strategie wichtig: Im Wettbewerb der Städte und Regionen werden mit austauschbaren Fress-und-Sauf-Veranstaltungen keine Punkte zu holen sein. Davon gibt es vielerorts mehr als genug. Entscheidend ist vielmehr die Qualität und Kontinuität der Veranstaltungen. Und da ist Augsburg auf einem guten Weg.
Einige Feste haben sich inzwischen zu einer attraktiven „Marke“entwickelt, beispielsweise das Gauklerfestival „La Strada“. Es ist jedes Jahr ein sehr beliebter Treffpunkt für Familien und noch dazu kostenlos für Besucher. Das verdient ein Bravo! Ein anderes gutes Beispiel ist Modular. Das Jugendkulturfestival hat inzwischen schon fast bundesweiten Zulauf von jungen Leuten.
Insbesondere eigenständige Themen sorgen dafür, ein Fest attraktiv zu machen. Bei den Augsburger „Sommernächten“wäre wohl noch Luft, ein Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln. Das könnte beispielsweise das Thema Wasser sein, sollte die Bewerbung für das Unesco-Welterbe erfolgreich sein. An die früheren Brunnennächte erinnern sich ältere Augsburger noch mit großer Sympathie.
Für die meisten Veranstalter dürfte aber nicht die Konkurrenz das größte Risiko sein. Vielmehr sind es die ständig wachsenden Auflagen der Ordnungsbehörden für Feste, die erfüllt werden müssen. Auch wenn sie notwendig sind, sie kosten immer mehr Geld. Diese Kosten zu finanzieren, wird gerade für die engagierten Vereine immer schwieriger.
Deshalb bleibt zu hoffen, dass es in Augsburg auch in zwei Jahren wieder ein Mittelalterfest am Roten Tor gibt. „Jubel“rufen dort die Besucher beim Einzug der Aktiven. Und auch sonst sollte in der Stadt nett und mit Niveau gefeiert werden dürfen.