Augsburger Allgemeine (Land West)
Der neue Glockenstuhl ist beeindruckend
Besichtigung Die Holzkonstruktion im Kirchturm von Emersacker muss bald große Kräfte aushalten
Emersacker
Zum Schluss überraschen die Zimmerleute Alexander Krauß und Stefan Bauer noch mit einem traditionellen Hebauf. Behände kraxeln die beiden, in den Händen Gläser und Weinflasche, hinauf in den Glockenstuhl. Von dort oben schmettert der Firmenchef in gereimten Versen Glück und Segenswünsche, dazu leert man in beachtlicher Rekordzeit die Gläser, um sie beim vierten „Hoch, hoch, hoch“-Ruf unter allgemeinem Beifall am Hallenboden zu zerdeppern.
Es war kein normaler Hebauf, der an diesem Nachmittag in Emersacker stattfand. Er spielte mitten in der Zimmerei von Alexander Krauß, wo der neue Glockenstuhl für den Kirchturm entsteht. Zahlreiche Schaulustige folgten einer Einladung von Pfarrer Joachim Seiler und Kirchenpfleger Siegfried Karner. Die Veranstaltung, die erste von vielen im Festjahr von St. Martin, fand ausnahmsweise nicht in der Kirche statt. Zur Abwechslung ging es dieses Mal ins Gewerbegebiet der Gemeinde Emersacker. Denn dort, in der Zimmerei an der Hauptstraße Richtung Wertingen, steht er, der beeindruckende, neue Glockenstuhl aus massiver Eiche, der Ende September eine alte und drei neue Glocken von St. Martin aufnehmen soll.
Ist er erst einmal in der Kirche, dann können ihn bei Weitem nicht so viele Leute bestaunen wie hier in der geräumigen, großen Halle, und das auch noch bei Kaffee und Kuchen. Der leckere Kuchen mit Schokoladenstatt Bronzeguss hatte passenderweise die Form einer Glocke – das musste einfach so sein, denn sonst waren keine Glocken da. Die neuen Glocken sind zwar inzwischen fertig gegossen, warten aber noch bei der Firma Bachert in Karlsruhe auf den Transport.
Kirchenpfleger und Bauleiter Karner informierte zu Füßen des monumentalen Holzbauwerks über die umfangreichen Arbeiten rund ums neue Geläut. 1,3 Tonnen bringen die vier Glocken auf die Waage. Nicht viel, so meint man. Beim Läuten jedoch wirke eine bis zu dreimal so große seitliche Last, erklärte Karner. Beim alten, metallenen Glockenstuhl wird diese Kraft eins zu eins auf den Glockenturm und die Lager der Glocken übertragen. Der neue macht Bewegungen von bis zu drei Zentimetern mit, ohne sie an das Bauwerk und die Lager weiterzugeben. Verwendet werden nur traditionelle Holz- und Schraubverbindungen, wie sie auch vor 100 Jahren üblich waren. Der Stuhl steht übrigens auf Stahlträgern, die der Batzenhofer Schmied und Schlosser Robert Sailer fertigte.
Neben vielen Plänen mit allen Details des neuen Geläuts konnten die Besucher auch den straffen Bauzeitplan mit allen Stationen bis zum ersten Läuten Mitte Oktober einsehen. Im Hintergrund der großen Halle lief parallel zur Veranstaltung ein zwölf Minuten langer Film von Thomas Schonbucher in Endlosschleife. Besucher konnten hier unter anderem beeindruckende Aufnahmen vom Guss der größten der drei neuen Glocken bestaunen.