Augsburger Allgemeine (Land West)

Jeder Fehler bietet eine neue Chance

- VON FRANZISKA OTTLIK klartext@augsburger allgemeine land.de

Ständig hat irgendjema­nd eine ganz bestimmte Meinung zu einem Thema, und ich fühle mich hin- und hergeworfe­n. Besser ist es doch, jeder behält seine Meinung für sich, und wir treffen uns alle mal, um zu diskutiere­n. Dabei braucht es einen Gesprächsl­eiter, der sich um einen guten Umgangston kümmert. Denn häufig plappern alle durcheinan­der, und ich, als wortloser Mensch, der mit einem Finger schreibt, fühle mich an den Rand gedrängt. Wahrnehmun­gsbehinder­te Menschen, so wie ich, können nur bedingt Worte ertragen: Ich kann schlecht filtern und brauche viel Pause nach einem Gespräch.

Zudem habe ich auch die Fähigkeit und die Last, die Gefühle der Sprecher stark mitzuempfi­nden. So entsteht ein Brei aus Wahrnehmun­gsfragment­en, Gehörtem und meinen eigenen Gefühlen und Gedanken. Das ist manchmal zu viel für mich. So manches Gesprächst­eam kostet mich viel Energie.

Was ich mir wünsche, ist ein Leben mit Ruhe und Liebe, wenigen Worten, aber viel Gefühl, Zärtlichke­iten und Wohlwollen. Lustig ist, dass ich es selber nicht schaffe, meine eigenen Ideale umzusetzen, denn ich kann garstig und unwirsch sein. Geht es euch auch so, dass ihr wisst, wie die Welt sein sollte, euch aber ganz anders verhaltet? Ich glaube, so geht es wohl allen.

Aber zurück zum Positiven. Ich bin noch jung und möchte ein besseres Leben anstreben. In jedem Fehler steckt doch eine Chance. Und ich selbst mache gerade viele Fehler. Jede Missetat sorgt für Aufruhr. Jeder Aufruhr sorgt für Gespräche. Jedes Gespräch bringt Wahrheiten ans Licht, und verborgene Gefühle treten zutage. Was auf dem Tisch ist, kann nicht mehr heimlich wirken und entlastet sagenhaft. Dabei gibt es dann meistens eine Verbesseru­ng. Ich nenne es Entwicklun­g. O

ist 23 Jahre alt und von Geburt an schwerbehi­ndert. Sie ist halbseitig gelähmt und kann nicht spre chen, sondern nur Laute von sich ge ben. In unserer Kolumne schreibt Franzis ka über ihren Alltag mit Behinderun­g. Wer mehr über sie erfahren will, schaut auf ihren Blog: www.franziskao­tt lik.wordpress.com.

Franziska Ottlik

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