Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Schönheit kennen wenige, die Probleme viele

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lilla so einzigarti­g und zu einem Beispiel für die Zukunft ganz Europas mache. „Das ist hier etwas völlig Natürliche­s“, sagt Kulturmini­sterin Fadela Mohatar, die selbst marokkanis­che Wurzeln hat. Ein HeileWelt-Bild will die Politikeri­n dennoch nicht zeichnen. Auch in Melilla seien die strenggläu­bigen Strömungen des Islam auf dem Vormarsch, sogar junge Frauen gingen nur noch verhüllt auf die Straße, erklärt Mohatar. Als sie am Morgen in kurzem Kleid im Wartezimme­r eines Arztes saß, wurde sie von anderen Muslimas mit bösen Blicken gestraft. „Das wäre vor 20 Jahren nicht passiert, und das macht mir Sorgen.“

Sitzt man in lauer Sommernach­t mit christlich­en – und aus deren Sicht „echten“– Spaniern bei Tapas und Wein in einer der zahlreiche­n Bars, wird ganz offenherzi­g über die marokkanis­chstämmige­n Mitbürger hergezogen. Jetzt, wo die „moros“wieder protestier­en, weil sie ihre Hammel fürs Opferfest nach EURecht nicht im hauseigene­n Hinterhof schlachten dürfen, geht so manchem das Messer in der Tasche auf. „Wir sind nicht mehr Herr im eigenen Haus“, wird dann lamentiert, Fahrt und zeigt auf eine unprätenti­öse Mauer, dahinter dichter Wald. Mehr zu sehen gibt es in der Markthalle von Nador, wo die Händler riesige Thunfische, Langusten zu Schleuderp­reisen, pralle Oliven und Datteln feilbieten.

Am Nachmittag, zurück in Melilla, geht es an den Strand – den neuesten der Stadt: Die „Ensenada de los Galápagos“wurde erst vor einigen Jahren mit Sand aufgeschüt­tet und zur Badebucht herausgepu­tzt. Zu erreichen ist sie über einen Tunnel durch die Stadtmauer. Obwohl längst Sommerferi­en sind und die Temperatur­en nach Abkühlung schreien, tummeln sich dort nur ein paar Mütter mit ihren Kindern. Etwas abseits, im Schatten neben den Felsen, sitzt eine Gruppe Jugendlich­er. Sie haben keine Handtücher dabei, aber Handys, mit denen waghalsige Klippenspr­ünge dokumentie­rt werden. „Mir sind die ein Dorn im Auge, das sind minderjähr­ige Flüchtling­e, die meisten aus Marokko“, erklärt eine ältere Dame und bittet den Rettungssc­hwimmer, ihre Habseligke­iten zu beaufsicht­igen, während sie ins Wasser geht. Der nickt nur müde. „Die sind doch harmlos“, sagt er. Und hätten ohnehin nur ein Ziel: Es an Bord einer Fähre zu schaffen, die sie ans spanische Festland bringt.

Ansonsten ist von all den Migranten, die sich über das spanische Nadelöhr Eintritt nach Europa verschaffe­n, im Stadtbild nicht viel zu sehen. Wenn wieder mal eine Schar Schwarzafr­ikaner den Zaun stürmte, erfahren das auch die meisten Einheimisc­hen nur aus den Fernsehnac­hrichten. Der mächtige Grenzwall ist für sie weit genug weg – und zudem derart Normalität, dass sie ihn gar nicht mehr wahrnehmen. Wie auch die Franco-Statue, die immer noch an prominente­r Stelle im Hafen steht, obwohl Spanien die Verbannung sämtlicher Franco-Symbole bereits 2007 per Gesetz angeordnet hat. Melilla ist eben keine normale spanische Stadt.

 ?? Fotos: Schuster ?? Hier gibt es ewig scheinende Sandstränd­e – aber auch einen stark gesicherte­n, viele Kilometer langen, dreifachen Grenzzaun. Das eher modernisti­sche Gesicht der Stadt hat ein Schüler Gaudis geprägt: Die katholisch­e Kirche, eine Synagoge und die...
Fotos: Schuster Hier gibt es ewig scheinende Sandstränd­e – aber auch einen stark gesicherte­n, viele Kilometer langen, dreifachen Grenzzaun. Das eher modernisti­sche Gesicht der Stadt hat ein Schüler Gaudis geprägt: Die katholisch­e Kirche, eine Synagoge und die...

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