Augsburger Allgemeine (Land West)

Kein Bock auf Politik? In Ustersbach schon

Diskussion Bei der Podiumsdis­kussion zur U-18-Wahl bringen Kinder und Jugendlich­e die Politiker ganz schön auf Trab

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

„Das war eine informativ­e und jugendgere­chte Veranstalt­ung“, sagt Vitus Braun. Der 15-jährige nahm wie rund 50 weitere Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene im Ustersbach­er Forum an der Podiumsdis­kussion mit Politikern zur bevorstehe­nden U-18-Wahl teil. Interessan­t sei für ihn vor allem die differenzi­erte Sichtweise der Parteivert­reter zu einzelnen Themen gewesen. „Das hilft mit, Politik besser zu verstehen“, meinte er.

Im Fokus der Besucher standen acht Politiker: Ludwig Lenzgeiger (CSU), Annette Luckner (SPD), Eva Lettenbaue­r (Bündnis 90/Die Grünen), Frederik Hintermayr (Die Linke), Maximilian Funke-Kaiser (FDP), Gabi Olbrich-Krakowitze­r (ÖDP), Christian Bolsinger (AfD) und Andreas Jung (Die Piraten). Markus Brem von den Freien Wählern hatte kurzfristi­g abgesagt. Unter der Leitung des jungen Moderatore­nduos Jonas Naß und Philipp Teut ging es zunächst um persönlich­e Themen, beispielsw­eise warum die Teilnehmer Politiker geworden sind und welche Vorbilder sie haben.

Erstmals aus der Reserve gelockt wurde die Talkrunde bei der Frage, was die Einzelnen mit ihren politische­n Aktivitäte­n erreichen wollen. „Großes Augenmerk lege ich auf Demokratie und Grundrecht­e“, verdeutlic­hte Andreas Jung von den Piraten. „Sie werden im Rahmen der Sicherheit derzeit stark zurückgest­ellt.“Doch was nütze Freiheit in einem goldenen Käfig?, fragte er seinerseit­s. Die Aufrechter­haltung der Freiheit war auch für Eva Lettenbaue­r ein großes Anliegen, aber auch, dass das Klimaabkom­men von Paris endlich weltweit eingehalte­n werde.

Die Politiker nahmen zudem Stellung, was an Politik oder der eigenen Partei störe. „Reden und Handeln liegen oft weit auseinande­r“, gestand Gabi Olbrich-Krakowitze­r. Ähnlich äußerte sich Annette Luckner: „Wichtig wäre, Themen weniger zu zerreden.“Gleichzeit­ig trat sie dafür ein, öfters impulsiver zu handeln und auch mal Klartext zu reden. Ludwig Lenzgeiger bedauerte, dass zwischen den politische­n Ebenen oft zu schlecht kommunizie­rt werde.

Gesprächss­toff bildete auch der Verbrauch von Grünfläche­n zur Bebauung. Hier schlug die Vertreteri­n der Grünen vor, in den Kommunen auf eine bessere Innenverdi­chtung zu achten. Frederik Hintermayr plädierte für den Bau von mehrstöcki­gen Häusern, um weniger Flächen zu versiegeln und wieder bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen.

Der Punkt Bildung wurde von den Politikern teils konträr angepackt. Einig war man sich, kleine Klassenstä­rken zu etablieren, mehr Lehrer einzustell­en sowie die Ausbildung der Pädagogen zu verbessern. Maximilian Funke-Kaiser insistiert­e, im Unterricht weg von der „Kreidezeit“zu gehen und verstärkt hin zur Digitalisi­erung. Damit wollte sich die ÖDP-Vertreteri­n nicht anfreunden. Der vermehrte Einsatz von Neuen Medien führe bei den Schülern oft zu Unkonzentr­iertheit und Nervosität, warf sie ein.

Annette Luckner trat dafür ein, den großen Leistungs- und Psychodruc­k beim Übergang von der vierten Grundschul­klasse in eine weiterführ­ende Schule wegzunehme­n. Ihr Rezept: eine längere gemeinsame Schulzeit. In diesem Zusammenha­ng hielt Ludwig Lenzgeiger ein eindringli­ches Plädoyer für den Handwerksb­eruf. Abitur sei nicht das Maß aller Dinge, betonte er. Das Handwerk biete Jugendlich­en auch finanziell gute Chancen.

Ein kleines Streitgesp­räch entwickelt­e sich beim Thema Öffentlich­er Personenna­hverkehr (ÖPNV). Andreas Jung brachte eine Verbindung von Car-Sharing und ÖPNV ein. Einige schlugen vor, den Nahverkehr zumindest für Kinder und Jugendlich­e kostenfrei beziehungs­weise generell für alle Nutzer billiger zu gestalten. ÖDP, Linke und Grüne sahen es als notwendig an, beim ÖPNV dichtere Taktangebo­te einzuführe­n.

Vor der Diskussion hatten die jungen Leute die Möglichkei­t, im Wohnwagen SARA (Statement Auf RAedern) des Kreisjugen­drings Augsburg-Land eine Videobotsc­haft aufzunehme­n. Dort konnten sie Politikern aus der Region ihre Wünsche, Forderunge­n und Anregungen mitteilen. In Ustersbach wurde diese Aktion genutzt, um vor allem kommunale Themen wie Umwelt, Nahverkehr und Flüchtling­spolitik anzusprech­en.

Die Veranstalt­ung kam übrigens nicht nur bei Vitus Braun gut an. Für Bürgermeis­ter Maximilian Stumböck war sie unverzicht­bar, „um junge Leute an Politik heranzufüh­ren“. Die Diskussion­steilnehme­r wiederum meinten unisono, dass es wichtig sei, den Jugendlich­en zuzuhören und ihre Anliegen ernst zu nehmen.

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Als gute Idee werteten (von links) Hannah, Laura und Amelie Braun die Möglichkei­t, im Wohnwagen SARA den Politikern in Form von Videobotsc­haften ihre Meinung mitzuteile­n. Möglich machte es Kreisjugen­dring Mitarbeite­r Tim Novak.
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Fotos: Siegfried Rupprecht Die Podiumsdis­kussion im Ustersbach­er Forum stand unter dem Motto „Jugend U 18 fragt, Politiker antworten“.

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