Augsburger Allgemeine (Land West)
„Mein Wort ist hier Gesetz“
Justiz Verschwörungstheoretiker, Neonazis oder einfach Spinner? Die Bewegung der „Reichsbürger“wurde lange nicht ernst genommen. Bis Wolfgang P. in Georgensgmünd einen Polizisten erschoss. Kommende Woche beginnt der Prozess
Georgensgmünd/München
Die Grenzen des „Regierungsbezirks Wolfgang“sind noch da. Um sein Grundstück hat der Hausherr lange gelbe Linien gezogen, gewissermaßen sein Revier abgesteckt. Und wer die Botschaft noch immer nicht verstanden hat, dem sei ein Blick auf den Briefkasten empfohlen. Auf einem angenagelten Schild steht unter einem Hinweis auf die Territorialverhältnisse eine ziemlich klare Ansage: „Mein Wort ist hier Gesetz!“
Als der deutsche Staat Mitte Oktober 2016 in Form der Polizei anrückt und ihm seine Waffen abnehmen will, sieht Wolfgang P. rot. Aus dem Haus heraus feuert er mehrere Schüsse auf Beamte ab, einer wird tödlich getroffen, zwei verletzt.
Gut zehn Monate nach dem Drama im südlich von Nürnberg gelegenen Georgensgmünd startet am kommenden Dienstag der Prozess gegen P. Vorwurf: Mord und versuchter Mord sowie gefährliche Körperverletzung. Und wenn er vor Gericht steht, wird einmal mehr eine Bewegung in den Fokus rücken, die lange kaum jemand auf dem Zettel hatte: die „Reichsbürger“.
Für sie ist die Bundesrepublik eine Art Fata Morgana, kein souveräner Staat. Vermeintliche Belege dafür finden „Reichsbürger“zuhauf. Einige sagen, Deutschland sei noch im Krieg und werde von den Siegermächten kontrolliert. Andere erklären, das Grundgesetz sei keine ben von Steuern festgehalten und schikaniert – vom sogenannten „Deutschen Polizei Hilfswerk“, einer „Reichsbürger“-Polizei.
Sobald Waffen ins Spiel kommen, kann es gefährlich werden. Das zeigte sich schon vor dem Fall Wolfgang P.: Im August 2016 schoss ein „Reichsbürger“in Sachsen-Anhalt auf Polizisten, die bei einer Zwangsräumung helfen sollten. Im Oktober soll der Prozess gegen den Schützen Adrian U. beginnen, einem früheren Mister Germany. Pikantes Detail: Nach Informationen von RBB und MDR soll Wolfgang P. Kontakt zu U. gehabt haben.
Die Gemeinde Georgensgmünd bekommt es offiziell Ende 2015 zum ersten Mal mit P. zu tun. Damals habe er zunächst einen Abstammungsnachweis verlangt, sagt Bürgermeister Ben Schwarz. Daran sei nichts verdächtig, schließlich kämen solche Anfragen auch von Leuten, die Familienforschung betrieben. Einige Zeit später habe P. aber dann im Beisein zweier Zeugen im Einwohnermeldeamt seinen Personalausweis abgegeben.
„Sonderbar“habe P. gewirkt, sagt Schwarz. Der Bürgermeister holt ein Dokument hervor, eine „Lebenderklärung“, die offenbar von P. stammt und in einem Lokalblatt als Inserat auftaucht. In Handschrift heißt es, er, P., sei „der lebendige beseelte und selbstbewusste Manne aus Fleisch und Blut nach