Augsburger Allgemeine (Land West)
Aber bitte ohne Sahne Kein Öl ins Nudelwasser kippen
Sommerserie Wir lieben sie, die italienische Küche. Und wir verhunzen sie oft. Wie die perfekten Spaghetti Carbonara gelingen, was man mit Nudeln niemals machen sollte und was wir Deutschen noch lernen müssen
Augsburg
Es gibt viele Dinge, bei denen dem Italiener das kulinarische Herz blutet und er am liebsten laut mamma mia rufen möchte. Bei einer „Pizza Wurstel“mit Wienerle drauf etwa. Einer Calzone aus dem Tiefkühlregal. Oder, wenn in die Spaghetti Carbonara Sahne gekippt wird. Klickt man sich durch die diversen Online-Kochforen, merkt man schnell: In Deutschland ist das mehr die Regel als die Ausnahme. Massimo Siniscalchi, Chef des Augsburger Restaurants „Pastissima“, kann da nur den Kopf schütteln. „Auf keinen Fall gehört in eine Carbonara Sahne“, sagt er.
Dann geht er in die Küche. Um zu zeigen, wie in seinem Restaurant eine Carbonara gekocht wird. Es ist heiß und dampfig, der Duft von Tomatensoße und Salbei liegt in der Luft. Am Herd steht Küchenchef Thomas Riou. Auf vier Tellerchen legt er sich die Zutaten für die Carbonara zurecht: Eigelb, Butter, Speck, Parmesan. Mehr nicht. Den Speck schneidet der Koch in grobe Streifen und brät ihn in einer Pfanne an. In einer Schüssel vermengt er das Eigelb mit einer Handvoll geriebenem Parmesan und zwei Stückchen Butter. Dann – eine leichte Abweichung zum Originalrezept – löscht er den brutzelnden Speck mit einem Schuss Weißwein ab und gibt ein wenig heißes Nudelwasser dazu.
Sobald die Pasta al dente ist, kommt sie zum angebratenen Speck in die Pfanne. „Besonders wichtig ist es jetzt, dass man die Nudeln mit der Ei-Parmesan-Butter-Masse nicht in der heißen Pfanne, sondern in einer Schüssel vermischt“, klinkt sich Siniscalchi ein. Sonst flockt das Ei wie Rührei. Koch Thomas Riou vermengt alle Komponenten, bestäubt das Gericht noch ein wenig mit Parmesan und Pfeffer. Basta.
Die Spaghetti Carbonara sind ein Klassiker der italienischen, besonders der römischen Küche. Um seine Herkunft ranken sich viele Mythen. Manche glauben, dass sich italienische Köhler in den Arbeitspausen das Gericht zubereitet haben. Daher auch der Name: Ein Köhler oder Kohlenhändler ist im Italienischen der carbonaio. Dann gibt es andere, die vermuten, der Name des berühmten Gerichts gehe auf das römische Restaurant „La Carbonara“zurück. Und wieder andere glauben, dass amerikanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg ihre Eier- und Speckrationen mit italienischer Pasta vermengt und so eine Vorform des Gerichts erfunden ha- ben. Von Sahne ist aber in keiner der Geschichten die Rede.
Eine wirklich eindeutige Linie aber gibt es – abgesehen vom Verzicht auf Sahne – nicht. Die einen verwenden Pancetta (Bauchspeck), die anderen Guanciale (Backenspeck). Mal wird Parmesan, mal Pecorino hinzugefügt, mal beides. Mal verwendet man nur das Eigelb, mal das ganze Ei. An sich ist das aber nicht überraschend. Denn die kulinarischen Unterschiede zwischen den italienischen Regionen sind zuweilen groß.
Der reiche Norden kocht gehaltvoll, deftig und mit vielen Zutaten – anders als der ärmere Süden, wo die Gerichte einfacher sind. Während im Süden fast immer zu Olivenöl gegriffen wird, nimmt der Norditaliener zum Kochen gerne Butter, und während man an der Stiefelspitze viel Gemüse verarbeitet, setzt man etwa im Piemont oft auf Fleisch. Die eine richtige Zubereitung eines italienischen Klassikers zu finden ist also schwierig bis unmöglich – in Deutschland ist das nicht anders. Ein bayerischer Kartoffelsalat etwa schmeckt auch anders als einer aus Norddeutschland.
Wer die Grundlagen der italienischen Küche kennenlernen möchte, der ist bei Nadia Sagona richtig, die unter dem Namen „Die Sizilianerin“in Augsburg Kochkurse anbietet. Dort lernt man, dass man kein Öl ins Nudelwasser oder über die fertige Pasta kippt, dass man die Teigwaren nach dem Kochen nicht kalt abschreckt und dass keine Sahne ins Tiramisu kommt. Vor allem an einem hapere es oft, wenn sich Deutsche an italienische Gerichte wagen, sagt Sagona: Daran, sich Zeit zu nehmen. „Eine Tomatensoße zum Beispiel ist nicht kompliziert. Man braucht gute Tomaten und man muss sie ganz lange köcheln lassen.“Mit lange meint sie zwei bis drei Stunden. Das gelte auch für eine Hackfleischsoße, die erst nach mehreren Stunden auf dem Herd ihren vollmundigen Geschmack entfaltet. Und genau dieses Geschmacks wegen, der uns an die Strände Liguriens, die engen Gassen Neapels oder die Hügel der Toskana erinnert, lieben wir sie doch, die Küche Italiens. Kochlehrerin Nadia Sagona bringt es mit einem kurzen Satz auf den Punkt: „Man schmeckt einfach die Sonne.“ O
Serie Tausende Bayern machen gera de Urlaub in Italien. Wir drehen den Spieß um. In unserer großen Sommerserie erkunden wir die vielen italienischen Seiten unserer Region.