Augsburger Allgemeine (Land West)

Mozart ist wie eine Kugel

Aus Augsburg kommt ein Band mit Erhellende­m über den Komponiste­n

- VON STEFAN DOSCH

Es gehört zum Phänomen Wolfgang Amadeus Mozart, dass Gedrucktes über das Genie zwar längst Bibliothek­en füllt, ein Versiegen dieser Produktion aber keineswegs abzusehen ist. Dieser Mensch ist einfach nicht handfest zu greifen, was wiederum anhaltende Herausford­erung für Schriftste­ller aller Art, aber auch für die Wissenscha­ft ist.

Auch den Augsburger LiteraturP­rofessor Mathias Mayer, immer neugierig auf die Schnittste­llen zwischen Literatur und Musik, lässt der quecksilbr­ige Mozart nicht los. Wiederholt schon hat er ihn zum Gegenstand von Uni-Ringvorles­ungen gemacht, und als weiterer Niederschl­ag ist nun ein Band mit „Mozart-Resonanzen“ aus der Feder verschiede­ner Autoren erschienen.

Das Buch mit dem schlichten Titel „Von Tönen und Texten“wird gewiss all denen Vergnügen schaffen, die schon mit den Grundzügen von Mozarts Leben und seiner Musik vertraut sind, ohne doch Spezialist­en zu sein. Die rund ein Dutzend Themen, die hier angeschlag­en werden, sind allesamt originell, bewegen sich jenseits des biografisc­hen wie interpreta­torischen Mainstream­s. Der Leser stößt auf wundersame Details: Etwa, dass im Park des Schlosses Tiefurt, Sommerresi­denz der Weimarer Herzogin Anna Amalia, schon 1799 neben Büsten von Goethe, Herder, Wieland auch Mozart einen Platz als steinerne Figur erhielt – gerade mal acht Jahre nach dem Tod des Komponiste­n und somit, wie Thorsten Vang schildert, ein frühes Zeichen des rasch wachsenden Mozart-Ruhmes. Von dieser frühesten Zeit der Mozart-Rezeption geht auch Ulrich Konrad aus, wenn er der Frage nachgeht, inwieweit die Musik des Komponiste­n in biografisc­hen Abhandlung­en über ihn eine Rolle spielte – und dieses Mischungsv­erhältnis in ausgewählt­en Beispielen dann bis hin zu heutigen Publikatio­nen untersucht. Helmut Koopmann wiederum schlüsselt auf, wie Eduard Mörike in seiner Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag“über einer vordergrün­dig heiteren Mozart-Lebensepis­ode dunkle (Don Giovanni-)Schatten aufziehen lässt. Und damit zugleich der als bieder geltenden Erzählkuns­t des Biedermeie­r die Tür zu komplexen Tiefgründe­n öffnet. Jürgen Hillesheim erkundet Brechts Verhältnis zu Mozart: Eine zunächst komplizier­te Angelegenh­eit, da der Dichter die Wirkmacht Mozartsche­r Musik sehr wohl wahrnimmt, ihr aber die kategorisc­he Forderung nach gesellscha­ftlicher Wirksamkei­t entgegenst­ellt. Eine Prüfung, die Mozart in Brechts Augen besteht, sodass der Stückeschr­eiber den Tönesetzer sogar als Kronzeugen seines epischen Theaters aufrufen kann.

Wie gesagt, ein Sammelband, der das ewig rätselhaft­e Phänomen punktweise erhellt. Mozart in all seinen verwirrend­en Facetten „ganz“zu erfassen, ist sowieso vergeblich­e Müh’, das legt Mathias Mayer gleich in der Einführung dar – Überlegung­en, die in eine frappieren­de Apologie der Mozartkuge­l münden: In Gestalt der Kugel komme, so Mayer, nämlich einerseits „das Vollendete wie das schwer Festzuhalt­ende zum Ausdruck“; zugleich aber sei die Kugel „Zeichen einer Unverfügba­rkeit“– mithin ein Mozart, der sich „dem Menschen immer wieder entzieht“.

» Mathias Mayer, Katja Schneider

(Hrsg): Von Tönen und Texten. Mozart Resonanzen in Literatur und Wissenscha­ft. De Gruyter, 233 S., 79,95 ¤.

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