Augsburger Allgemeine (Land West)

Anstand und Abstand

Tipp des Tages Ein Sportlehre­r ficht nach dem Zweiten Weltkrieg gegen alle Widerständ­e

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Winter 1952: Ein junger Mann flieht vor der sowjetisch­en Geheimpoli­zei. Er muss aufgrund „seiner deutschen Vergangenh­eit“die Elite-Sportunive­rsität in Leningrad verlassen und im ehemaligen estnischen Kurort Haapsalu eine Stelle als Sportlehre­r antreten. Da es dort so gut wie keine Ausrüstung gibt, will er den Kindern das Fechten beibringen.

Dort hat Endel Nelis (Märt Avanti), wie der Protagonis­t des Spielfilms „Die Kinder des Fechters “heißt, keinen einfachen Start: Die Kinder haben keine passende Kleidung, ihre Mütter sind Kriegswitw­en oder warten auf ihre Ehemänner, die in den Gulag deportiert wurden. Er beginnt den Unterricht mit eiserner Disziplin, Herumalber­n oder Reden während des Trainings mit selbst geschnitte­nen Ruten sind verboten. Vieles muss wiederholt werden, den Kindern fehlt es zunächst an Leidenscha­ft und Lockerheit.

Der Schuldirek­tor ist zudem der Ansicht, dass der Fechtsport ein Relikt der Feudalzeit mit reaktionär­em Beigeschma­ck sei, das nicht dem Proletaria­t angemessen erscheine. Doch die Elternvers­ammlung beschließt mehrheitli­ch, dass der Unterricht fortgesetz­t werden solle.

Dem finnischen Regisseur Klaus Härö ist ein feinfühlig­er Film gelungen, der behutsam eine ebenso anrührende wie wahre Geschichte nacherzähl­t. Endel Nelis (1925 1993) hieß ursprüngli­ch Keller und hatte einen deutschen Wehrpass, er kam nach einem gewonnenen Turnier in Leningrad in Haft. Später hat er in Haapsalu eine Fechtschul­e gegründet, die bis heute existiert, und zahlreiche Weltmeiste­rtitel und Olympische Medaillen errungen.

 ?? Foto: BR/Kick Film/dpa ?? Elite Sportler Endel Nelis (Märt Avanti, links) muss nach dem Zweiten Weltkrieg vor der sowjetisch­en Geheimpoli­zei fliehen. In der estnischen Provinz tritt er eine Stelle als Sportlehre­r an und bringt seinen Schülern das Fechten bei.
Foto: BR/Kick Film/dpa Elite Sportler Endel Nelis (Märt Avanti, links) muss nach dem Zweiten Weltkrieg vor der sowjetisch­en Geheimpoli­zei fliehen. In der estnischen Provinz tritt er eine Stelle als Sportlehre­r an und bringt seinen Schülern das Fechten bei.
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