Augsburger Allgemeine (Land West)
Als das Fernsehen farbig wurde
Geschichte Mit einem legendären Knopfdruck begann vor 50 Jahren eine neue Ära. Doch es dauerte, bis sich die neuen bunten Bilder durchsetzten. Darum rieten die Händler anfangs zu zwei Geräten, auf denen man parallel schauen konnte
Es nutzte schon damals nichts. Wenn im Fernsehen getrickst wird, kommt das schnell auf. Dabei hatten sie sich das so schön ausgedacht am 25. August 1967 bei der 25. Funkausstellung in Berlin. Willy Brandt drückt den Knopf und macht die Bundesrepublik bunt. Zumindest im Fernsehen. Dumm nur, dass ein vermutlich aufgeregter Techniker schneller war und den Bildschirm farbig gemacht hatte, bevor der damalige Vizekanzler eine rote KnopfAttrappe bediente.
Was man dann sah – nach den zunächst roten Promi-Köpfen, deren Färbung aber schnell angepasst wurde –, war das Fernsehballett, das einen Walzer aus der JohannStrauss-Operette „Eine Nacht in Venedig“vortanzte. Womit bereits eine Programmfarbe gesetzt war, die die folgenden TV-Jahre bestimmte: Ballettdamen in blauen, gelben und roten Kleidern gaben häufig den Takt vor im Programm. Höhepunkt des Abends war allerdings „Der goldene Schuß“mit Vico Torriani. Das Farbfernsehen auf dem Weg zum Volltreffer.
Allerdings ging der Start-Lapsus in Berlin an den meisten Deutschen vorbei. Nach ARD-Angaben waren zu Beginn der neuen Ära gerade 35000 Haushalte mit Farbempfängern versorgt. Sender und Industrie hatten dennoch relativ schnell auf die technologische Neuerung reagiert. Die Bundesrepublik war das erste Land Europas und das vierte weltweit, das in eine bunte Röhre schaute.
Vor allem war unser System PAL der US-Version NTSC dank der stabileren Farbstruktur überlegen. In der DDR wurde das Farbfernsehen zwei Jahre später eingeführt – passenderweise wie in der Sowjetunion man dann Lebensdauer der Farbbildröhre ein. Dieser listige Vorschlag ist nicht ganz von der Hand zu weisen.“Echt jetzt? Viel Erfolg war dem Tipp nicht beschieden.
Unsere junge Familie konnte sich erst 1977 vom Schwarzweiß-Kästchen verabschieden. Was schlicht daran lag, dass es kaputtging. Also ja, wir leisteten uns ein in Farben brillierendes Wohnzimmermöbel. Telefunken hatte es hergestellt.
Es dauerte Wochen, bis sich die Umstellung im Kopf festgesetzt hatte.“„Bonanza“und „High Chaparral“sahen nicht mehr grau wie Wüstenstaub aus. Die Saloon-Damen brillierten in ultramarinblauen Kleidern, die Cowboys trugen gelbe Halstücher und das Lagerfeuer war flammend rot. „Flipper“, der kluge Delfin, tauchte in türkisblaue Fluten und die „Bezaubernde Jeannie“, der Flaschengeist, schillerte in den Farben des Orients.
Es gab Ausnahmen: „Der Kommissar“mit Erik Ode bekam bis zu seinem Ende 1971 keinen farbigen Anstrich. Und keinen hat’s gestört, dass selbst die Perserteppiche in Grünwalder Villen irgendwie blassgrieselig wirkten.
Nein, eine Revolution hat das Farbfernsehen nicht ausgelöst. Es eroberte eher selbstverständlich die Wohnzimmer. Kein Vergleich etwa mit der Einführung des Tonfilms um 1930, als Stummfilmstars ihre Jobs verloren, weil sie quiekten wie Mickymaus. Als die Bilder auch in Farbe laufen lernten, begann im Kino eine neue Ära.
Dass nach dem Krieg „Das Schwarzwaldmädel“für Zuschauerrekorde sorgte, hatte nicht nur mit Verdrängen und Vergessen zu tun, sondern auch damit, dass die roten Bollen auf dem Hut von Sonja Ziemann Farbe ins Aufbauleben brachten. Also war Farbe 1967 kein TopEreignis