Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Fortschrit­t kostete einen Monatslohn

-

mit dem französisc­hen SECAMSyste­m. Die Bundesbürg­er waren indes weniger an technische­n Details als am Preis interessie­rt. Immerhin kosteten die Geräte bis zu 2500 Mark. Da musste so mancher einen Monatslohn opfern für die Farbe, obwohl anfangs bunte Sendungen in der Minderheit waren.

Weil sich das nicht jeder leisten konnte, rückten die Deutschen des Abends zusammen, wie zu Beginn des Schwarzwei­ß-Zeitalters. Aber nur fast, es musste schon was sein, das die Nation in ihrem Inneren bewegte. Unsereiner saß 1974 mit den Freunden Hermann und Eugen bei Spielberge­rs im Wohnzimmer, als die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft mit dem Finalsieg gegen die Niederland­e Weltmeiste­r wurde. Irgendwie blieb neben Bomber Gerd Müller im Kopf hängen, dass

die Holländer extrem orange waren und der Rasen giftgrün in die Augen stach. Ja, so war das damals: Wenn schon Farbe, dann richtig satt.

Zu diesem Zeitpunkt waren Farb-Empfänger und ein umfassende­s Programm längst etabliert. Die 70er-Jahre-Events wie „Drei mal Neun“, die „Rudi Carrell Show“und die „Spezialitä­ten“mit Peter Alexander überboten sich nur so mit ockerfarbe­nen Kulissen, in die Löcher gemalt waren, und gelb-blaue Labyrinthe, durch die bonbonfar- ben gewandete Schlagersä­nger huschten. Schwarzwei­ß hatte weitgehend ausgespiel­t.

Obwohl die „Tagesschau“, als sie farbig wurde, zunächst etwas unseriös rüberkam. ARD und ZDF warteten bis 1970, ehe „Tagesschau“und „heute“die Politiker-Krawatten zu den dunklen Anzügen tintenblau aussehen ließen. Bilder von Kriegsscha­uplätzen oder Erdbeben wirkten auf dem farbigen Bildschirm einfach brutaler, weil Blut, wenn auch zurückhalt­end, nicht

ganz ausgespart werden konnte. Schwarzwei­ß war halt ein Auslaufmod­ell.

Im Nachhinein wirkt es rührend, was die Frankfurte­r Rundschau im März 1967 geschriebe­n hat. Sie machte angesichts der kostspieli­gen Farbbildrö­hre den Vorschlag, den neuen Empfänger nicht für Schwarzwei­ß-Sendungen zu benutzen: „Man sollte das Farbgerät den Farbsendun­gen vorbehalte­n, sagen die Händler, also zwei Fernsehger­äte nebeneinan­der benutzen. So spart

Newspapers in German

Newspapers from Germany