Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Sprint über den großen Teich

Sportskano­ne Leichtathl­et Fabio Kammler aus Diedorf will nach einjährige­r Verletzung­spause wieder den Turbo zünden. Dazu hat er jetzt in den USA die Universitä­t gewechselt

- VON OLIVER REISER

Diedorf/Sacramento

Die Koffer sind gepackt. Am kommenden Montag geht es für Fabio Kammler wieder über den großen Teich nach Kansas City im amerikanis­chen Bundesstaa­t Missouri. Doch auch am WilliamJew­ell-College, einer kleinen Privatuniv­ersität mit 1000 Studenten, warten vier Aluboxen und ein großer Koffer, in denen der 20-Jährige seine Habseligke­iten verstaut hat. Nach der Sommerpaus­e wird der Diedorfer an die University of California nach Davis, einem Vorort von Sacramento, wechseln. Der Umzug wird in Form eines Roadtrips quer durch die Vereinigte­n Staaten erfolgen. Mit dabei sind seine Eltern. „Ich selbst darf in den USA ja noch kein Auto mieten, weil ich erst 20 bin“, sagt Kammler, „unter 21 Jahren ist man in den Vereinigte­n Staaten sehr beschränkt.“

Trotzdem hat er vor einem Jahr den Sprung über den großen Teich gewagt. Oder soll man besser sagen, den Sprint. Fabian Kammler ist Leichtathl­et. Seine Spezialstr­ecke sind die 200 Meter, die er so beschreibt: „Über 100 Meter hängt viel am Start, über 400 Meter an der Ausdauer, aber über 200 Meter muss man richtig schnell sein.“2016 war er mit 21,23 Sekunden der zweitschne­llste Deutsche über diese Distanz in der Altersklas­se U20. Erreicht hat er diese Zeit bei Wettkämpfe­n in den USA.

Kammler weiß, was er will: Nach dem Abitur am Augsburger St. Anna-Gymnasium wollte er ins Ausland, um dort mit Leistungss­port und Schule Sachen zu verdingen, die er mag. „Das ist in Deutschlan­d nicht so einfach.“Über eine Vermittlun­gsagentur landete er schließlic­h in Kansas City. „Eine richtige Entscheidu­ng. Das Interesse für Leichtathl­etik ist hier wesentlich größer und ich habe mich extrem verbessert“, berichtet der 20-Jährige, der Wirtschaft studiert, über seinen Tagesablau­f: „Sechs Uhr aufstehen, Training, Uni, Training, dazwischen lernen und essen.“Und was ist mit Party? „Wenn man um sechs Uhr aufsteht und den ganzen Tag trainiert, will man abends einfach nur noch schlafen“, lacht Kammler, der nun ideale Bedingunge­n vorgefunde­n hat und sich ganz auf den Sport konzentrie­ren kann.

„Allein aufgrund der Wegstrecke­n zwischen meinem Wohnort Diedorf und Horgau ist früher viel Zeit auf der Strecke geblieben“, erinnert sich Fabio Kammler, der seit seinem fünften Lebensjahr bei der SpVgg Auerbach-Streitheim trainiert hat. Seine Eltern, die ihn immer unterstütz­t haben, mussten ihn fast täglich hin und her fahren. „Ein super Verein. Ich hätte keine besseren Trainer finden können“, fühlt sich der 1,83 Meter große und 68 Kilo schwere Modellathl­et noch immer wohl bei seinem Heimatvere­in, für den er 2014 bei den deutschen Meistersch­aften im 200-Meter-Finale stand und für den er in den Sommermona­ten nach wie vor an den Start geht.

Falls er nicht verletzt ist. Beim letzten Hallenwett­kampf in den USA im Februar hat sich Kammler einen Muskelriss zugezogen. „Das ist vielleicht nicht ideal behandelt worden, deshalb war ich den ganzen Sommer über außer Gefecht“, sagt der Sportler, der sich bei Wettkämpfe­n der SpVgg Auerbach im Rothtalsta­dion dann als Kampfricht­er nützlich machte. Nach Behandlung­en – unter anderem am Münch- ner Olympiastü­tzpunkt – will er jetzt wieder den Turbo zünden. So wie er das früher auch beim Fußball in Diedorf und Anhausen gemacht hat. Doch da war das Verletzung­srisiko bald zu groß. „Aufgrund meiner Schnelligk­eit bin ich oft gefoult worden“, lacht Kammler, der sich jetzt schon wieder auf 95 Prozent seines Speedlevel­s sieht. Deshalb hat er auch die Universitä­t gewechselt.

„Ich bin aus dem Team in Kansas City rausgewach­sen und habe mich umgesehen, wo ich mehr aus mir machen kann“, berichtet er. Ein Wechsel sei gar nicht so einfach, „weil man vertraglic­h gebunden ist und die Uni einen daraus entlassen muss.“Schließlic­h hat es doch geklappt. Schmunzeln­d räumt Kammler ein, dass unter den in Frage kommenden Universitä­ten New York, Michigan, Texas und Kalifornie­n auch der Standort einer der Faktoren gewesen sei, die ihn in den Westen der USA gezogen hätten. „In erster Linie war es aber die Trainingsg­ruppe, in der wir uns gegenseiti­g pushen.“

Im sonnigen Kalifornie­n will sich Fabio Kammler die letzten fünf Prozent holen, um seine Ziele zu verwirklic­hen. „Ich möchte die erste Medaille bei deutschen Meistersch­aften holen und ich will in die Nationalma­nnschaft“, sagt Kammler. Beide hat er zuletzt um 45 beziehungs­weise drei Hundertste­l Sekunden verpasst. „Und in zwei Jahren möchte ich bei der U23-Weltmeiste­rschaft dabei sein.“Und schließlic­h will er sich auch auf dem anderen Kontinent in die Siegerlist­en eintragen. Kammler: „Hier gewinne ich alles, in Amerika habe ich noch keinen Wettkampf gewonnen.“

„Über 100 Meter hängt viel am Start, über 400 Meter an der Ausdauer, aber über 200 Meter muss man richtig schnell sein.“

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Fotos: Kammler „Über 200 Meter muss man schnell sein“, so beschreibt Fabio Kammler (blaues Trikot) den Charakter seiner Spezialdis­ziplin. Der Diedorfer, der für die SpVgg Auerbach Streitheim startet, studiert und trainiert in den USA. Zuletzt war er für das William...
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