Augsburger Allgemeine (Land West)
Hat ein „Soldat“einen Rentner abgezockt?
Prozess 43-Jähriger soll mit einer Mitleidsgeschichte einen Senior um viel Geld gebracht haben
Im Krieg in Afghanistan habe er Erwachsene und Kinder getötet, mit der Last könne er kaum leben und brauche für eine Therapie dringend Geld: Diese Geschichte soll ein 43-jähriger Mann aus dem nördlichen Landkreis laut Anklage einem Senior aufgetischt haben. Der 82-jährige ehemalige Pfarrer hatte die angebliche Notsituation geglaubt. Laut Staatsanwaltschaft soll der Senior dem angeblichen Soldaten rund 15000 Euro geliehen haben.
Der Fall wirft einige Fragen auf, die bei der Verhandlung am Amtsgericht in Augsburg vorläufig nicht geklärt werden konnten. Eine Entscheidung fällte Richter Müller daher nicht: Zum einen fehlten wichtige Zeugen der Polizei, und andererseits gingen aus der Zeugenbefragung neue Hinweise hervor. „Jetzt muss nachermittelt werden, und eventuell müssen wir alles noch einmal wiederholen“, erklärte der Richter.
An vieles konnte sich der 82-Jährige bei seiner Aussage vor Gericht nicht mehr genau erinnern. „Die ganzen Vorfälle habe ich schnell in den Papierkorb meines Wissens geschmissen“, sagte er zwar mit fester Stimme, seinen Kopf aber hatte er gesenkt, seine Hand stützte die Stirn. Seiner Erinnerung nach war es ungefähr so: Eines Tages sei der Angeklagte vor der Tür seines Zimmers im Seniorenheim gestanden. Der Pfarrer im Ruhestand hörte sich die grausame Geschichte des vermeintlichen Soldaten an. „Ich habe mich in die Enge gedrückt gefühlt“, schilderte der Geschädigte. Froh sei er gewesen, als der lange Besuch vorbei war und die Tür ins Schloss fiel. Das Geld habe er dem Mann dennoch einige Tage später guten Gewissens gegeben. Erste leichte Zweifel hatte er, weil sich der Mann danach für ein halbes Jahr nicht mehr meldete. Doch dann sei der 43-Jährige erneut aufgekreuzt – im Laufe der vergangenen Jahre wohl mehrfach, berichtete der 82-Jährige. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, den Senior immer wieder um Geld gebracht zu haben: Angeblich für kleine Besorgungen, aber auch für ein neues Auto, das er für einen neuen Job als Kurierfahrer für Apotheken benötige. Die Masche sei dann in München aufgeflogen: Dort soll der Angeklagte ein Treffen des Rentners mit einem vermeintlichen Rechtsanwalt inszeniert haben. Dem 82-Jährigen wurde klar gemacht, dass er zunächst das Honorar des Anwalts in Höhe von 36000 Euro begleichen müsse, bevor er vom Angeklagten sein Geld zurückerhalte. Als der Rentner das Geld in der Bank holen wollte, informierte die stutzige Mitarbeiterin die Polizei, die wenige Minuten später in der Filiale eintraf.
Zu den Vorwürfen äußerte sich der Angeklagte nicht. Sein Verteidiger Franz Wittl erklärte, dass er zum Tatzeitpunkt bei einem Rechtsanwalt in Berlin gewesen sei. Dieser Anwalt trat als Zeuge auf, konnte den Besuch aber nicht vollständig bestätigen. Wittl verlangte eine Vereidigung des Zeugen, Richter Müller lehnte ab und musste dafür die Sitzung unterbrechen. Die Verhandlung wurde im Anschluss vertagt. Wann es weitergeht, ist noch offen.