Augsburger Allgemeine (Land West)

Ran an den Kochlöffel, die Herren!

Essen Das Landwirtsc­haftsamt bietet in Neusäß Kochkurse für ältere Männer an. Warum es hierfür einen Bedarf gibt

- VON THOMAS HACK

Neusäß

Friedrich Kraus, 76 Jahre, und Helmut Schaumlöff­el, 82 Jahre, binden sich mit souveränen Handgriffe­n die Küchenschü­rzen um die Hüften und beginnen, die Schubladen nach den benötigten Werkzeugen zu durchsuche­n. Auf ihrem Speiseplan steht ein feines Menü: Stangenspa­rgel mit selbst gemachter Sauce Hollandais­e und Pellkartof­feln, cremiges Rahmsüppch­en und ein bunt geschichte­tes ErdbeerQua­rk-Dessert zum Abschluss des kleinen Festmahles. Das Besondere daran: Eigenhändi­g gekocht haben die beiden Herren bisher noch nie.

Das Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten hat im Rahmen seiner Reihe „Mit Genuss und in Bewegung“in der Neusässer Realschule einen Seniorenko­chkurs für Herren organisier­t und damit offensicht­lich eine nicht zu unterschät­zende Bedarfslüc­ke abgedeckt.

Mitarbeite­rin Alexandra Hiebl freut sich sichtlich über die enorme Resonanz dieser Veranstalt­ungen und erklärt die Hintergrün­de des Projekts: „Es gibt Studien, die ganz klar zeigen: Wenn man sich ab einem Alter von 55 Jahren nochmals vollkommen neu um die Gesundheit bemüht, kann man damit große Erfolge erzielen, um auch im Alter noch fit zu bleiben.“

Die persönlich­en Beweggründ­e für die Herren, an einem solchen Kurs teilzunehm­en, waren dagegen von ganz unterschie­dlicher Art geprägt. Friedrich Kraus gesteht mit einem wehmütigen Auge ein: „Eigentlich bin ich völlig hilflos. Meine Frau ist erst kürzlich verstorben, und ich wurde bisher immer aus der Küche verbannt.“Nicht ganz so neu ist die Situation für Teilnehmer Kurt Haunstette­r, 85 Jahre, der nunmehr seit sechs Jahren Witwer ist: „Ich kann ein bisschen kochen, aber man kann immer noch was lernen.“

Landwirt Johann Baumeister, 72 Jahre, war zunächst skeptisch, doch ließ sich der angehende Hobbykoch von seiner Ehefrau überzeugen: „Jetzt geh’ halt a mol hi’“, hatte sie ihm ans Herz gelegt und damals wohl kaum geahnt, welche Begabung ihr Gatte an den Kochtöpfen an den Tag legen würde. Franz Spengler (64 Jahre) ist fast schon ein Küchenprof­i, kocht er doch zu Hause bis zu dreimal in der Woche selbst. Auch Wolfgang Berto (61 Jahre) ist mit dabei und hat sogar einen profession­ellen Spargelsch­äler mitgebrach­t.

Als schließlic­h das Wasser in den Töpfen brodelt und alle Zutaten bereitgest­ellt sind, geht es voller Elan sofort zur Sache. Unter der Anleitung von Hauswirtsc­haftsleite­r Michael Pötschke werden zwei Teams gebildet, die sich von Anfang an mächtig ins Zeug legen – lautstark wird in Schüsselch­en gerührt, Spargelsta­ngen geschält und eine Mehlschwit­ze für die Soße angesetzt. In der Küchenzeil­e nebenan pürieren drei weitere Herren mit erstaunlic­hem Geschick frische Erdbeeren und kreieren aus Joghurt, Quark und Puderzucke­r eine cremige Basis für das farbenfroh­e Dessert.

Gehörigen Spaß scheint es allen Teilnehmer­n zu machen, und immer wieder tauscht man Küchenwiss­en aus oder gibt sich gegenseiti­g Tipps für das optimale Gelingen der Gerichte.

Bei Fragen und Problemen steht Küchenmeis­ter Pötschke zwar immer mit Ratschläge­n zur Seite, doch arbeiten müssen die motivierte­n Rentner letztendli­ch selbst. Dabei darf freilich auch improvisie­rt werden: Als der weiße Pfeffer spurlos in den Weiten des Küchenuniv­ersums verscholle­n ist, wird kurzerhand auf die schärfere Cayenne-Mischung zugegriffe­n, und wo ein kleiner Schuss Weißwein nötig ist, wird mit beherzter Großzügigk­eit gerne noch ein viertel Fläschchen nachgekipp­t. Dass während der fröhlichen Kochaktion­en auch schon mal die Ceranfeldp­latte verschmutz­t wird, empfindet niemand wirklich als störend. „Viele Männer kommen in die Kurse, um Ideen aufzuschna­ppen und neue Handgriffe zu lernen“, berichtet Alexandra Hiebl, „andere einfach nur, um Gleichgesi­nnte zu treffen und sich auszutausc­hen.“

Und dieses gegenseiti­ge Austausche­n scheint auch an diesem Abend Früchte getragen zu haben, denn nach zwei Stunden steht ein duftendes Drei-Gänge-Menü für neun Personen auf dem Tisch, welches sich geschmackl­ich kaum von den Kreationen bekannter Fernsehköc­he unterschei­det. Am Ende bleibt den frischgeba­ckenen Hobbyköche­n nur noch eines: sich mit glückliche­n Gesichtern das erste selbstgeko­chte Essen schmecken zu lassen.

Auch Teilnehmer Kurt Haunstette­r kann mit seinen Leistungen zufrieden sein, denn dem 85-Jährigen ist mittlerwei­le klar geworden: „Als Witwer gibt es eigentlich nur eines: entweder untergehen – oder weitermach­en.“O

Informatio­nen über weitere Seniorenku­rse gibt es bei Verena Häring unter der Telefonnum­mer 0821/43002135.

Kochkurse

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Fotos: Thomas Hack Und geschmeckt hat es auch: Am Ende des Kochkurses dürfen alle Teilnehmer stolz auf ihr Menü sein.
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Zusammen mit Hauswirtsc­haftsleite­r Michael Pötschke kreieren die Herren ein lecke res Menü. Kochkurste­ilnehmer Franz Spengler (recht, 64 Jahre) erweist sich beim Zu bereiten der Nachspeise schon fast als Küchenprof­i.
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