Augsburger Allgemeine (Land West)
Ran an den Kochlöffel, die Herren!
Essen Das Landwirtschaftsamt bietet in Neusäß Kochkurse für ältere Männer an. Warum es hierfür einen Bedarf gibt
Neusäß
Friedrich Kraus, 76 Jahre, und Helmut Schaumlöffel, 82 Jahre, binden sich mit souveränen Handgriffen die Küchenschürzen um die Hüften und beginnen, die Schubladen nach den benötigten Werkzeugen zu durchsuchen. Auf ihrem Speiseplan steht ein feines Menü: Stangenspargel mit selbst gemachter Sauce Hollandaise und Pellkartoffeln, cremiges Rahmsüppchen und ein bunt geschichtetes ErdbeerQuark-Dessert zum Abschluss des kleinen Festmahles. Das Besondere daran: Eigenhändig gekocht haben die beiden Herren bisher noch nie.
Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat im Rahmen seiner Reihe „Mit Genuss und in Bewegung“in der Neusässer Realschule einen Seniorenkochkurs für Herren organisiert und damit offensichtlich eine nicht zu unterschätzende Bedarfslücke abgedeckt.
Mitarbeiterin Alexandra Hiebl freut sich sichtlich über die enorme Resonanz dieser Veranstaltungen und erklärt die Hintergründe des Projekts: „Es gibt Studien, die ganz klar zeigen: Wenn man sich ab einem Alter von 55 Jahren nochmals vollkommen neu um die Gesundheit bemüht, kann man damit große Erfolge erzielen, um auch im Alter noch fit zu bleiben.“
Die persönlichen Beweggründe für die Herren, an einem solchen Kurs teilzunehmen, waren dagegen von ganz unterschiedlicher Art geprägt. Friedrich Kraus gesteht mit einem wehmütigen Auge ein: „Eigentlich bin ich völlig hilflos. Meine Frau ist erst kürzlich verstorben, und ich wurde bisher immer aus der Küche verbannt.“Nicht ganz so neu ist die Situation für Teilnehmer Kurt Haunstetter, 85 Jahre, der nunmehr seit sechs Jahren Witwer ist: „Ich kann ein bisschen kochen, aber man kann immer noch was lernen.“
Landwirt Johann Baumeister, 72 Jahre, war zunächst skeptisch, doch ließ sich der angehende Hobbykoch von seiner Ehefrau überzeugen: „Jetzt geh’ halt a mol hi’“, hatte sie ihm ans Herz gelegt und damals wohl kaum geahnt, welche Begabung ihr Gatte an den Kochtöpfen an den Tag legen würde. Franz Spengler (64 Jahre) ist fast schon ein Küchenprofi, kocht er doch zu Hause bis zu dreimal in der Woche selbst. Auch Wolfgang Berto (61 Jahre) ist mit dabei und hat sogar einen professionellen Spargelschäler mitgebracht.
Als schließlich das Wasser in den Töpfen brodelt und alle Zutaten bereitgestellt sind, geht es voller Elan sofort zur Sache. Unter der Anleitung von Hauswirtschaftsleiter Michael Pötschke werden zwei Teams gebildet, die sich von Anfang an mächtig ins Zeug legen – lautstark wird in Schüsselchen gerührt, Spargelstangen geschält und eine Mehlschwitze für die Soße angesetzt. In der Küchenzeile nebenan pürieren drei weitere Herren mit erstaunlichem Geschick frische Erdbeeren und kreieren aus Joghurt, Quark und Puderzucker eine cremige Basis für das farbenfrohe Dessert.
Gehörigen Spaß scheint es allen Teilnehmern zu machen, und immer wieder tauscht man Küchenwissen aus oder gibt sich gegenseitig Tipps für das optimale Gelingen der Gerichte.
Bei Fragen und Problemen steht Küchenmeister Pötschke zwar immer mit Ratschlägen zur Seite, doch arbeiten müssen die motivierten Rentner letztendlich selbst. Dabei darf freilich auch improvisiert werden: Als der weiße Pfeffer spurlos in den Weiten des Küchenuniversums verschollen ist, wird kurzerhand auf die schärfere Cayenne-Mischung zugegriffen, und wo ein kleiner Schuss Weißwein nötig ist, wird mit beherzter Großzügigkeit gerne noch ein viertel Fläschchen nachgekippt. Dass während der fröhlichen Kochaktionen auch schon mal die Ceranfeldplatte verschmutzt wird, empfindet niemand wirklich als störend. „Viele Männer kommen in die Kurse, um Ideen aufzuschnappen und neue Handgriffe zu lernen“, berichtet Alexandra Hiebl, „andere einfach nur, um Gleichgesinnte zu treffen und sich auszutauschen.“
Und dieses gegenseitige Austauschen scheint auch an diesem Abend Früchte getragen zu haben, denn nach zwei Stunden steht ein duftendes Drei-Gänge-Menü für neun Personen auf dem Tisch, welches sich geschmacklich kaum von den Kreationen bekannter Fernsehköche unterscheidet. Am Ende bleibt den frischgebackenen Hobbyköchen nur noch eines: sich mit glücklichen Gesichtern das erste selbstgekochte Essen schmecken zu lassen.
Auch Teilnehmer Kurt Haunstetter kann mit seinen Leistungen zufrieden sein, denn dem 85-Jährigen ist mittlerweile klar geworden: „Als Witwer gibt es eigentlich nur eines: entweder untergehen – oder weitermachen.“O
Informationen über weitere Seniorenkurse gibt es bei Verena Häring unter der Telefonnummer 0821/43002135.
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