Augsburger Allgemeine (Land West)
Hier sind Pilger zu Hause
Pilgerweg Der Jakobsweg bietet in Reinhartshofen mit dem Landgasthof Grüner Baum eine hochgeschätzte Rastmöglichkeit. Auch Roy Black hatte dort seinen Stammplatz
Großaitingen Reinhartshofen
Es ist noch nicht lange her, dass sich eine Schweizer Pilgerin auf den Weg in ihre Heimat gemacht hat, da wird das freundlich eingerichtete Zimmer von Rosamunde Donderer im Landgasthof Grüner Baum in Reinhartshofen schon wieder für die nächsten Gäste vorbereitet. Freundlich und familiär, ohne Schnörkel und mit offener Herzlichkeit wird der Gast empfangen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es ein Wanderer, Pilger oder beruflich auf Durchreise ist. Im Grünen Baum der Geschwister Donderer ist jeder willkommen. Direkt vor ihrer Haustür verläuft ein Teil des wohl berühmtesten Pilgerweges der Welt, des Jakobsweges. Hunderte Pilger oder Wanderer haben im Laufe der Jahre hier Station gemacht.
Im Ort endet die erste Etappe des östlichen Augsburger Jakobsweges, der in Oettingen beginnend über Augsburg, Bad Wörishofen, Markt Rettenbach und Ottobeuren nach Bad Grönenbach führt, um sich dort mit der westlichen Strecke zu vereinen und Richtung Bodensee weiterzuführen. Seit mehr als 1000 Jahren wandern Pilger zum vermeintlichen Grab des Apostels Jakobus in der spanischen Stadt Santiago de Compostela.
„Das Wandern auf diesem Weg ist das direkte Gegenteil zum All-inclusive-Urlaub“, hört man aus dem Kreise der Geschwister. Zwei bis drei Pilger in der Woche begrüßen die Wirtsleute in ihrem Haus, das bei Reisenden einen guten Ruf genießt, wie die Eintragungen im hauseigenen Gästebuch beweist. „Wir sind keine der klassischen, zum Teil subventionierten Pilgerherbergen, wie man sie vom Hauptweg in Nordspanien kennt“, sagt Rosamunde Donderer. Als Landgasthof werde schon ein gewisser Standard geboten, der in den Herbergen nicht üblich sei.
Die Pilger blieben in der Regel nur eine Nacht, um sich dann auf die nächste Etappe über Klimmach, Konradshofen und Scherstetten nach Kirchsiebnach zu machen, ergänzt sie. „Unsere Jakobskirche im Ort verfügt natürlich auch über ein Pilgerbuch und einen Pilgerstempel mit der Jakobsmuschel als Symbol des Weges“, berichtet Eduard Donderer, Rosamundes Bruder. Sehr unterschiedlich seien die Pilgergäste, wissen die Geschwister zu berichten. „Menschen auf dem Weg zu sich selber, unschlüssige oder getriebene Charaktere oder einfach nur Naturfreunde kommen hier vorbei.“Sie stammen aus unterschiedlichsten sozialen Schichten und Bildungsebenen, kommen mal allein oder in Gruppen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Sogar mit dem Esel als Tragtier konnten die Geschwister in der Vergangenheit ihre Pilger begrüßen. Das hauseigene Pilgerbuch gibt einen guten Einblick in die Motivation und Stimmung der Wanderer. Eine sechsköpfige Damengruppe verleiht darin ihrer Freude über ein Quartier nach den 22 Kilometern Fußmarsch genauso Ausdruck wie eine junge Frau auf dem Weg zu sich selber. Ein anderer Pilger schreibt: „Die ersten 22 sind geschafft, nun nur noch 578 Kilometer!“
Im gemütlichen Gastraum sorgen sich die Wirtsleute nicht nur um das leibliche Wohl. „Häufig führen wir hier Pilger und andere Gäste zusammen, um sich über ihre Lebenserfahrungen und Eindrücke des Weges auszutauschen“, sagt Rosamunde Donderer.
In einer Ecke des Gastraumes fällt ein Foto des Schlagersängers und Schauspielers Roy Black auf. „Wenn er in der Gegend war, hat er uns öfters besucht. Er war ein ganz feiner Mensch. Hier an diesem Platz hat er häufig gesessen“, erinnert sich Rosamunde und weist auf den Platz am Kopf des Tisches. Berühmtheiten sind für die Donderers nichts Ungewöhnliches, war Luise Rinser, eine der bedeutenden Nachkriegsautorinnen, doch ihre Großtante.
Während die sinkende Sonne den Vorabend ankündigt, hat sich heute noch kein Pilger zur Übernachtung eingefunden. „Manchmal ist es schon anstrengend. Wir suchen dringend Personal für Haus und Küche, um unseren Service für die Pilger und die Gäste aufrecht zu halten. Wir wissen trotz Voranmeldungen nicht, was der Tag so bringt“, seufzt Donderer und verschwindet in der Küche, um Vorbereitungen zu treffen. „Man kann ja nie wissen, ob nicht doch noch einer kommt“, verabschiedet sie sich mit einem herzlichen Lächeln.