Augsburger Allgemeine (Land West)

Zwei weitere Deutsche in Erdogans Gefängniss­en

Türkei Nach Festnahme auf dem Flughafen Antalya verschärft sich der Ton zwischen Berlin und Ankara

- VON SUSANNE GÜSTEN

Die Festnahme von zwei weiteren Bundesbürg­ern durch die Türkei lässt die Dauerkrise in den Beziehunge­n zwischen Ankara und Berlin weiter eskalieren. Die türkischst­ämmigen Deutschen K. und S. A. wurden am Flughafen Antalya unter dem Verdacht festgenomm­en, Anhänger des Predigers Fethullah Gülen zu sein. Die genauen Vorwürfe und weitere Details waren zunächst nicht bekannt, Diplomaten hatten nach Angaben des Auswärtige­n Amtes bis Freitagabe­nd noch keinen Kontakt zu den beiden.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilt­e die Festnahmen scharf: Solche Festnahmen hätten in den „allermeist­en Fällen keinerlei Grundlage“, sagte Merkel bei einer Veranstalt­ung in Nürnberg. „Und deshalb müssen wir hier auch entschiede­n reagieren.“Angesichts der jüngsten Ereignisse müsse die Bundesregi­erung ihre Türkeipoli­tik „vielleicht weiter überdenken.“SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz forderte von der Bundesregi­erung, in den nächsten Tagen weitere Sanktionen gegen die Türkei zu prüfen. Er schloss eine Reisewarnu­ng an deutsche Türkei-Urlauber nicht aus. Reisewarnu­ngen werden in der Regel nur für Bürgerkrie­gsländer ausgesproc­hen.

Die Bundesregi­erung hatte bereits Mitte Juli ihre Türkei-Politik neu ausgericht­et. Die Verschärfu­ng der Reisehinwe­ise war dabei die Hauptmaßna­hme. Zudem haben Merkel und Außenminis­ter Sigmar Gabriel inzwischen angekündig­t, Verhandlun­gen über eine Ausweitung der Zollunion in der EU zu blockieren. Schulz hält auch ein Einfrieren von EU-Milliarden­hilfen im Zuge der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit Ankara für geboten.

Laut Bild-Zeitung handelt es sich bei den Festgenomm­enen um ein Ehepaar. Die türkische Staatsanwa­ltschaft sieht in ihnen Gefolgsleu­te von Gülen, dem in Ankara die Verantwort­ung für den Putschvers­uch gegen Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan im vergangene­n Jahr angelastet wird. Der Vorwurf der Gülen-Anhängersc­haft wird laut Kritikern von der Erdogan-Regierung als Vorwand benutzt, gegen Andersdenk­ende jeder Couleur vorzugehen. Seit dem Putsch sind mehr als 150000 Menschen aus dem Staatsdien­st entlassen worden, mehr als 50000 sitzen im Gefängnis. Darunter sind – seit jetzt 200 Tagen – der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel, die Übersetzer­in Mesale Tolu aus Ulm und der Menschenre­chtler Peter Steudtner. Insgesamt sind laut Auswärtige­m Amt derzeit zwölf Deutsche in der Türkei aus politische­n Gründen in Haft. Die Bundesregi­erung erwarte von der Türkei, „dass die deutschen Staatsbürg­er, die aus nicht nachvollzi­ehbaren Gründen inhaftiert sind, freigelass­en werden“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert.

Erdogan wirft der Bundesregi­erung vor, mit der Aufnahme von Gülen-Anhängern und kurdischen Aktivisten in Deutschlan­d türkische Staatsfein­de zu unterstütz­en. Der Staatspräs­ident ermächtigt­e sich vor wenigen Tagen, selbst über die Abschiebun­g von inhaftiert­en Ausländern zu entscheide­n, was von Kritikern als Zeichen gewertet wurde, dass Erdogan westliche Bürger in türkischen Gefängniss­en gegen Gülen-Anhänger im Ausland austausche­n will. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: „Erdogan ist kein Präsident, sondern ein Geiselnehm­er.“

Es gibt Hinweise, dass sich türkische Sicherheit­sbehörden über Ausspäh-Aktionen in Westeuropa Informatio­nen über mutmaßlich­e Regierungs­gegner im Ausland verschaffe­n, um sie dann bei einer Einreise festzunehm­en. Einige Betroffene berichten, dass sie noch vor der eigentlich­en Einreise in die Türkei in der Schlange vor der Passkontro­lle von türkischen Polizisten angesproch­en, festgesetz­t und schließlic­h wieder nach Hause geschickt wurden. Laut WDR gab es in den vergangene­n Monaten mindestens ein Dutzend solcher Fälle.

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Foto: dpa Präsident Erdogan belastet die deutsch türkischen Beziehunge­n weiter.

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