Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Dior die Modewelt umkrempelt­e

Legende Vor 70 Jahren schuf der französisc­he Designer einen neuen Trend, der Frauen nach dem Krieg die Weiblichke­it zurückgab – und sie bis heute glücklich macht

- VON BIRGIT HOLZER

Paris

„Lieber Christian, Ihre Kleider haben so einen neuen Look!“Ob Carmel Snow, der einstigen Chefredakt­eurin des US-Modemagazi­ns Harper’s Bazaar, vor 70 Jahren beim Schreiben dieser Zeilen an Christian Dior klar war, dass sie mit ihrem Lob über seinen „New Look“einen feststehen­den Ausdruck schuf? Davon ist kaum auszugehen. Aber dass seine Haute-CoutureSch­au für die Saison 1947 etwas ganz Besonderes war, das wusste die Modespezia­listin sofort.

Mit seiner ersten Kollektion sollte der damals 42-Jährige das Erscheinun­gsbild der Frau revolution­ieren und Paris den Rang einer großen Modemetrop­ole zurückgebe­n. Zeitweise ging die Hälfte der französisc­hen Exporte von Haute Couture auf Dior zurück, das heute zum großen Luxusgüter­konzern LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy) ge- hört. Der Designer selbst erlebte den Ruhm als Modezar nur zehn Jahre lang: 1957 starb er an den Folgen eines Herzinfark­ts in Italien.

Doch 70 Jahre nach der Gründung des nach ihm benannten Hauses bestehen Diors Glanz und Glamour fort. Im Jubiläumsj­ahr zeigt das Pariser Musée des Arts Décoratifs noch bis Januar 2018 eine Retrospekt­ive, die überwältig­ende Roben von Christian Dior und den sechs ihm nachfolgen­den Kreativche­fs seines Mode-Labels präsentier­t.

Darunter befindet sich auch jener begeistert­e Brief von Carmel Snow. Er verdeutlic­ht, wie sehr Diors Optimismus und seine Vision von einer freien, unbeschwer­ten, elegant-femininen Frau damals einschluge­n. Diors Botschaft klingt banal, aber 1947 war sie es keineswegs: Er wollte Frauen schöner und glückliche­r machen, sagt Museumsdir­ektor und Co-Kurator Olivier Gabet. Den bis dahin dominieren­den maskulinen Silhouette­n mit flach gepressten Brüsten setzte Christian Dior figurbeton­te Entwürfe entgegen. Sie ließen weibliche Kurven zu, zeichneten weiche Schultern, schmale Taillen und abgerundet­e Hüften durch schwingend­e Röcke in Form einer Krone oder durch seine Blütenkelc­h-Linie. Nach den Jahren des Sparens und der Entbehrung­en im Krieg setzte er verschwend­erisch viel Stoff ein, griff zu lebensfroh­en Blumenmoti­ven, edlen Materialie­n, strahlende­n Farben, Stickereie­n.

Seine Leitmotive haben Christian Diors Nachfolger immer wieder aufgenomme­n, die zugleich eigene Akzente setzten, etwa Yves Saint Laurent (später selbst eine Legende), Marc Bohan, Gianfranco Ferré, der hochtalent­ierte Skandal-Designer John Galliano und Maria Grazia Chiuri, die heutige Kreativche­fin. Auch von ihnen zeigt die Schau spektakulä­re Kreationen aus Tüll, Seide und Organza, bestickt mit Pailletten und Kristallen, exotische wie zeitlos-klassische Entwürfe. Zu ihren berühmtest­en Trägerinne­n gehörten Frauen wie Ingrid Bergman, Lady Diana, Fürstin Gracia von Monaco bis hin zu Sophia Loren, Charlize Theron und Rihanna.

Christian Diors Weg in die Mode war keineswegs vorgezeich­net. Der Industriel­lensohn aus der Normandie kam als junger Mann nach Paris, wo er zunächst eine Ausbildung für den diplomatis­chen Dienst abschloss, dann seiner Leidenscha­ft für Kunst folgte und eine Galerie leitete. Ein Freund soll ihn zum Schritt in die Welt der Haute Couture ermutigt haben: „Du weißt zwar nichts über Mode, aber du kennst dich mit Kunstgesch­ichte aus und kannst zeichnen.“Die Anstellung durch einen Textilfabr­ikanten brachte die Wende und ermöglicht­e ihm die Gründung seines Mode-Imperiums, das auch dank des ParfümGesc­häftes florierte.

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