Augsburger Allgemeine (Land West)
Fahren wir wieder ohne Holland?
In den Top Ten deutschen Fußball-Liedgutes hält sich seit Jahren ein Einzeiler. Geschrieben, wenn sich das so sagen lässt, wurde er nach der Jahrtausendwende. Die Fußball-Großmacht Niederlande hatte gerade die Qualifikation für die WM in Asien verpasst, was überall, wo mehr als drei Deutsche zusammenstanden, zum choralen „Ohne Holland fahren wir zur WM“führte. Das war nicht nett und dokumentierte die besonderen Fußball-Beziehungen der Nachbarn. Für keine andere Nation hätten die Deutschen gesungen.
Das Spannungsverhältnis zwischen Deutschen und Holländern rührt bekanntlich aus unsäglicher Vergangenheit. Im Fußball fand es nur seine Fortsetzung. Andererseits war es auch der Fußball, der die Nationen wieder zusammenbrachte. In respektvoller Rivalität, aber auch in offener Bewunderung. Schon lange aber ist an Hollands Kickern nichts mehr zu bewundern. Die Nachfahren von Johan Cruyff spielen, als hätten sie noch Holzschuhe an den Füßen. Wie es aussieht, fahren die Deutschen auch nächstes Jahr wieder ohne Holland zur WM.
Selten ist eine große Fußballnation derart abgestürzt. Die Gründe dafür? Die ehemals bewunderten Eliteschulen des niederländischen Fußballs haben offenbar den Betrieb eingestellt. Der „Elftal“fehlen inzwischen jene großartigen Solisten, die das kleine Land über Jahrzehnte in beneidenswerter Anzahl hervorgebracht hat. Auch ein Grund, warum Hollands Top-Klubs im Vereinsfußball keine großen Rollen mehr spielen. Sneijder, Robben oder der reaktivierte van Persie haben ihr fußballerisches Verfallsdatum erreicht oder überschritten.
In Nächten wie der von Paris wünscht sich der Gedemütigte Zuspruch von den eigenen Leuten. Von denen aber erhält er ihn zuletzt. Die Älteren seien nicht mehr so gut, wie sie es früher waren. Und die Jüngeren nicht so gut, wie es die Älteren waren. Es sei peinlich und erniedrigend gewesen, diagnostiziert das heimische Handelsblad. Als ob das nicht genug wäre, dichtete auch noch die französische L’Equipe dazu: „Frankreich hat das Gespenst einer großen Nation in die Versenkung geschickt.“Eine Grabrede – ergreifend, schön und wahr. Stellen wir uns also darauf ein, 2018 ohne Holland zur WM zu fahren.