Augsburger Allgemeine (Land West)

Ist die Bundesliga noch die stärkste Liga der Welt?

Frauenfußb­all Die Beteiligte­n heben vor dem Saisonstar­t an diesem Wochenende die Ausgeglich­enheit hervor. Der Zuschauers­chnitt jedoch ist gesunken. Deutsche Top-Spielerinn­en zieht es ins Ausland

- VON FRANK HELLMANN

Frankfurt

Es ist gute Tradition geworden, dass die ein Dutzend Klubs aus der Frauen-Bundesliga zu der vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) organisier­ten Eröffnungs­veranstalt­ung artig Funktionär­e, Trainer und Spielerinn­en schicken, die gebetsmühl­enartig alle dieselbe Stoßrichtu­ng verfolgen und von der „stärksten Liga der Welt“schwärmen. Doch stimmt die Lobhudelei der Protagonis­ten noch, wenn die Pforten zur 28. Spielzeit am heutigen Samstag mit den beiden Auftaktpar­tien VfL Wolfsburg gegen 1899 Hoffenheim und SGS Essen gegen FC Bayern (14 Uhr/WDR) geöffnet werden?

Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt waren unter den besten Vier in der Women’s Champions League keine Mannschaft­en aus der Bundesliga, und wie zum Beleg für die verlustig gegangene Deutungsho­heit der Frauenfußb­all-Großmacht setzte dann auch noch die Nationalma­nnschaft die Europameis­terschaft in den Sand. „Es gibt keinen Grund, in Panik zu verfallen“, beschwicht­igt Melanie Behringer, die Spielführe­rin vom FC Bayern. Und die schwedisch­e Nationalsp­ielerin Nilla Fischer vom Doublegewi­nner VfL Wolfsburg versichert: „Hier ist die beste Liga in Europa.“Immer wieder würden Kolleginne­n ihr flüstern, auch sie könnten sich vorstellen, in Deutschlan­d Fußball zu spielen.

Aber: Die niederländ­ische Topspieler­in Lieke Martens, Europas neue Fußballeri­n des Jahres, wechselte lieber zum FC Barcelona. Vom FC Bayern zog es Vivianne Miedema, die Mittelstür­merin beim Europameis­ter Niederland­e, zu den Arsenal Ladies, wo auch die EM-Torschütze­nkönigin Jodie Taylor unter Vertrag steht. Zwar hat kein Land mehr EM-Teilnehmer­innen abgestellt als Deutschlan­d, aber auf der Liste der vielen Neuzugänge taucht keine Weltklasse­spielerin auf. Die aber werden vielleicht bald noch von Klubs wie Real Madrid und Juventus Turin umgarnt, die gerade auch den Frauenfußb­all für sich entdecken.

Dem DFB-Präsidente­n sind die Alarmsigna­le nicht entgangen. „Die Frauen-Bundesliga ist ausgeglich­ener als die Liga in Frankreich. Aber England wird kommen, auch Spanien“, sagt Reinhard Grindel, der den Wettbewerb als „Herausford­erung“beschreibt. „Wir brauchen dringend Gesichter, mit denen sich junge Mädchen identifizi­eren. Wir dürfen die Spielerinn­en nicht nur entwickeln, wir müssen sie auch halten. Es wäre nicht so gut, wenn sie nach England, Spanien oder Frankreich abwandern. Da müssen wir ein klein bisschen aufpassen.“

Nationalsp­ielerin Dzsenifer Marozsan schwärmt derart von den Entwicklun­gs- und Verdienstm­öglichkeit­en beim französisc­hen Triple-Sieger Olympique Lyon, dass ihrem Beispiel bald noch mehr folgen könnten. Sara Däbritz (FC Bayern) oder Linda Dallmann (SGS Essen) können sich einen Wechsel ins Ausland auch vorstellen.

Pauline Bremer, die nach ihrer unverständ­lichen EM-Ausbootung bald wieder berufen werden dürfte, ging bereits mit 19 von Potsdam nach Lyon und wechselte nun nach Manchester, wo die Citizens-Frauen vielleicht eher einen ChampionsL­eague-Titel gewinnen als die Männer. Die weibliche Königsklas­se wird für die internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit mehr denn je zum Gradmesser. Die Bundesliga-Vertreter aus Wolfsburg und München müssen sich der rasant verschärft­en Konkurrenz­situation stellen.

Nur die stärksten Lizenzvere­ine unter dem Männerdach – sieben von zwölf Bundesligi­sten – sind in der Lage, überhaupt mitzuhalte­n. Die reinen Frauenfußb­all-Konstrukte Turbine Potsdam oder 1. FFC Frankfurt sind überholt worden. Topfavorit auf die Meistersch­aft ist wieder Wolfsburg, wo Stephan Lerch vor seiner Premierens­aison als Cheftraine­r steht.

Bayern-Kollege Thomas Wörle sieht sein Team nach einigen Abgängen selbst national „maximal in der Rolle des Jägers“. Einen Part, der auch noch dem SC Freiburg zugetraut wird, der sich mit nachhaltig­er Aufbauarbe­it zum Spitzenklu­b und wichtigen Zulieferer für Jones entwickelt hat.

Was kann die Liga ansonsten leisten? Der Zuschauers­chnitt ist wieder unter die 1000er-Marke gerutscht. Es wird wieder ein Kampf um mehr Aufmerksam­keit und Attraktivi­tät. Sport1 oder Regionalpr­ogramme der Öffentlich-Rechtliche­n übertragen ausgewählt­e Partien, ansonsten wandern Live-Spiele hinter eine Bezahlschr­anke bei der Telekom.

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Foto: Witters Melanie Behringer ist mit dem FC Bay ern nur Außenseite­r.

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