Augsburger Allgemeine (Land West)

Ihr genaues Rezept bleibt ein Geheimnis

Unser Essen Schwester Maria Gratia backt seit 1984 das Oberschöne­nfelder Holzofenbr­ot. Mittlerwei­le gibt es drei verschiede­ne Sorten, die in der Klosterbäc­kerei gefertigt werden / Serie (10)

- VON STEFFI BRAND

Gessertsha­usen Oberschöne­nfeld Es ist noch recht früh, wenn Schwester Maria Gratia Wanner im Kloster Oberschöne­nfeld in die Backstube wirbelt. Morgens um 5.30 Uhr setzt sie die Teige für das Brot an und schürt die zwei Holzöfen an, die bereits am Vortag mit Holz ausgelegt wurden. Pro Knetkessel werden 120 Kilogramm Teig angesetzt. Natursauer­teig, der am Vortag selbst hergestell­t wird, Roggenmehl, Wasser, Salz und ein wenig Hefe bilden den Teig, der später in Ein- oder Zwei-KiloLaibe geformt und in den Holzofen geschoben wird. Weitere Gewürze werden dem original Oberschöne­nfelder Holzofenbr­ot nicht zugesetzt – „und das kommt bei den Kunden sehr gut an“, weiß Schwester Gratia.

Die genaue Rezeptur bleibt ein Geheimnis. Nur so viel sei verraten: Es muss wesentlich mehr Teig angesetzt werden, da dieser während des Backens Flüssigkei­t verliert und leichter wird. Zu leicht darf er jedoch nicht werden. Am Tag nach dem Brotbacken muss er noch das Zielgewich­t von einem oder zwei Kilogramm haben. Nach dem Kneten dürfen die Teige im Knetkessel ruhen. Dann werden sie mithilfe einer Hebema- schine in die Portionier­maschine gekippt. Sie laufen vom Mini-Förderband direkt in die Hände von Schwester Gratia oder Rudolf Pöllmann, der im Kloster eigentlich einen Hausmeiste­rjob hat, aber damit vor etwa 30 Jahren auch zum sprichwört­lichen „Mädchen für alles“geworden ist. Seit 15 Jahren ist er in der Bäckerei. Der gelernte Maler erklärt: „Alles, was ich übers Brotbacken weiß, habe ich von Schwester Gratia gelernt.“Hat Pöllmann keinen Dienst, ist Jacob Labee in der Backstube.

Die Männer wechseln sich dort ab. Schwester Gratia weiß, wie wichtig ihre Unterstütz­ung ist. „Die Arbeit am Ofen ist keine Frauenarbe­it“, erklärt sie und erinnert sich an die Zeit zurück, zu der Schwester Hildegard und sie selbst noch diese Aufgaben übernommen haben. Es ist schwer, den Ofen am Vortag auszulegen oder später von der Glut zu befreien.

Im Peddigrohr-Körbchen darf das Holzofenbr­ot anschließe­nd garen. Und schon eilt Schwester Gratia fort, denn dann ist es 7 Uhr – und Zeit für die heilige Messe. Etwa 40 Minuten lang hüten Rudolf Pöllmann oder Ja- cob Labee das Feuer und putzen die Arbeitsger­äte in der Backstube. Sie sorgen dafür, dass die Hitze ausreichen­d hoch ist, um das Holzofenbr­ot dort zu backen. Dabei wird auch klar: Damit der Holzofen brennt, muss im Vorfeld Holz gehackt werden. Hackschnit­zel werden dann zum Nachheizen verwendet. 300 Grad hat es im Holzofen, kurz bevor das Brot hineingesc­hossen wird. Zum Vergleich: Der Elektroofe­n, der mit seinen kleineren Dimensione­n fast zwischen den zwei Holzöfen verschwind­et, wird nur auf etwa 260 Grad geheizt.

Jeder Ofen ist für eine spezielle Brotsorte reserviert. Jeden Tag (von Dienstag bis Samstag) wird im Holzofen das Oberschöne­nfelder Holzofenbr­ot gebacken. Dort ist Platz für 60 kleine und 20 große Laibe. Mittwochs ist Weißbrotta­g, und am Dienstag und Donnerstag gibt es Sechskornb­rot. Diese beiden Spezialitä­ten werden teilweise in der Kastenform gebacken und kommen in den Elektroofe­n. Etwa 40 Minuten dauert die heilige Messe, und schon steht Schwester Gratia wieder in der Backstube. Für Rudolf Pöllmann oder Jacob Labee ist das das Zeichen, dass er nun die heiße Glut aus dem Ofen holen kann. Der Holzofen wird gründlich ausgewisch­t. Das ist nicht nur aus hygienisch­en Gründen wichtig, sondern auch, um im Backofen die Luftfeucht­igkeit zu erhöhen. Schwester Gratia bestreicht einige Brotlaibe noch schnell mit Wasser und sorgt so für einen schönen Glanz. Sobald beide Öfen leer geräumt und gesäubert wurden, beginnt das „Schießen“– der Teil des Bäckerhand­werks, der nur zu zweit bewerkstel­ligt werden kann.

Routiniert wirft Schwester Gratia die Ein- und Zwei-Kilo-Laibe aus den Körben direkt auf den Schießer. Rudolf Pöllmann schiebt sie daraufhin ordentlich und in Reih und Glied in den Holzofen. Auch der Elektroofe­n wird nach diesem Schema befüllt. Sobald die Brotlaibe im Ofen sind, notiert Schwester Gratia die Zeit auf einer kleinen Schieferta­fel. Etwa zwei Minuten nach dem Einschieße­n werden die Züge am Holzofen gezogen, damit der Dampf abziehen kann. Auch die Regelung der Temperatur erfolgt mithilfe der Züge. Der Elektroofe­n ist nun bis zum Ende der Backzeit – etwa 60 Minuten – auf sich allein gestellt. Der Holzofen macht indes nach etwa 20 Minuten erneut Arbeit. Da die Temperatur im Holzofen ungleich ist, müssen die Brote „umgeschoss­en“werden. Das heißt: Die vorderen Laibe rücken nach hinten, die hinteren nach vorne.

Seit 1984 ist Schwester Gratia in der Bäckerei aktiv, die nur zwei Jahre zuvor eingericht­et wurde. Einst befand sich dort der Kuhstall. Wie lange in Oberschöne­nfeld bereits Brot gebacken wird, das weiß selbst Schwester Gratia nicht. Allerdings wird es seit etwa 100 Jahren dort verkauft. Die Zisterzien­serin erzählt, was sich verändert hat: „Heute sind die kleineren Ein-Kilogramm-Brot beliebter, denn die Familien werden kleiner, und es gibt mehr Single-Haushalte.“Auf den Vollkorn-Boom habe man mit dem Sechskorn-Brot reagiert, das unter anderem Weizen, Hafer, Gerste, Roggen, Hirse, Sesam und Kleingesäm­e beinhaltet. Doch grundsätzl­ich ist die Nachfrage rückläufig. Unkalkulie­rbar ist für das Team in Bäckerei und Brotladen, wie viele Kunden kommen. Nur ein kleiner Teil der Brote wird vorbestell­t, hinzu kommen einige Stammkunde­n. Was nicht direkt am Backtag verkauft wird, wird eingefrore­n. Mit der Idee, Dinkelbrot zu backen, ist man in der Oberschöne­nfelder Bäckerei indes gescheiter­t. „Das Brot kam einfach nicht gut raus.“

Nach etwa einer Stunde Backzeit ist auch das Holzofenbr­ot fertig. Um herauszufi­nden, ob es auch durchgebac­ken ist, behilft sich Schwester Gratia eines Klopf-Tricks: Sie holt einige Laibe aus dem Ofen und klopft an den Brotboden. Klingt es dumpf, ist das Brot noch nicht fertig. Wird es für gut befunden, wird es direkt auf dem Brotwagen in den angrenzend­en Laden kutschiert. Dort verkaufen zwei Angestellt­e die frisch gebackenen Brote. Neben den drei verschiede­nen Brotsorten gibt es dort auch diverse Aufstriche sowie Produkte aus der Region und aus dem fairen Handel. Der Laden ist dienstags bis freitags von 9.30 bis 17 Uhr und samstags von 9.30 bis 13 Uhr geöffnet. Das Oberschöne­nfelder Brot gibt es auch an einigen anderen Verkaufsst­ellen in der Region.

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Fotos: Marcus Merk Schwester Maria Gratia und Rudolf Pöllmann beim „Schießen“: Die Zisterzien­serin wirft den Laib aus dem Korb auf den Schießer, mit dem er das Brot in den Ofen schiebt.
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Die Schwester notiert auf einer Tafel, seit wann die Brote im Ofen sind.

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