Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Frage der Woche

- WOLFGANG SCHÜTZ

Es gibt genau drei prinzipiel­le Gründe, nicht wählen zu gehen. 1. Man lebt in dem (im Vergleich unfassbar großartige­n) Luxus, dass einen einfach nicht zu interessie­ren braucht, was im Staat und in der Politik so los ist.

2. Man kann keiner der (bei dieser Wahl antretende­n 42) Parteien annähernd so zustimmen, dass man sein Kreuzchen dafür hergeben würde.

3. Man hat den Glauben an das Funktionie­ren des Systems von Wählen und Regieren im Allgemeine­n verloren.

Das Interessan­te ist: Nur der erste Grund wäre ein Argument gegen eine allgemeine Wahlpflich­t. Die anderen beiden fallen weg, weil als Protest oder als Zeichen, sich nicht mehr repräsenti­ert zu fühlen, etwas anderes viel wirkungsvo­ller wäre: Man stelle sich vor, 30, 40 Prozent oder mehr werfen ihre Wahlzettel leer ein – das wäre ein starkes Symbol (man vergleiche José Saramagos Roman „Stadt der Sehenden“). Der Wahlsieger ginge nicht mit 40 Prozent hervor, obwohl überhaupt nur 50 Prozent abgestimmt haben – und man hätte einen besseren Pegelmesse­r für die Unzufriede­nheit der Bürger. Denn das Nichtwähle­n kann ja immer auch bedeuten, den Leuten geht’s zu gut, als dass sie sich noch Gedanken machen müssten, wo sie leben.

Und damit sind wir zurück beim ersten Argument, das ja gerne von bedenklich­em Geraune kaschiert wird: Widerspric­ht die Pflicht nicht unserer Freiheit? Darf Demokratie Zwang sein? Aber wer kapiert, dass die allgemeine Freiheit des Bürgers erst aus der Demokratie entsteht, der weiß auch: Es ist niemals Freiheit, die gegen das Wählen stehen kann, sondern nur immer bloß Willkür; denn gerade die Freiheit verpflicht­et. Und so muss im Sinne der Demokratie unsere Gesellscha­ft ein Zeichen gegen die Willkür setzen. Ja, aus Prinzip!

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