Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein letzter Tanz

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Später würde die Historiker­in Elizabeth Pakenham schreiben: Das war der berühmtest­e Ball der Geschichte. Berühmt wegen seiner Gäste und wegen der historisch­en Stunde, die sie erwartete. Die Gäste der Herzogin Charlotte von Richmond ahnten, dass dies für viele der Anwesenden der letzte Tanz sein würde. Aber die Gastgeberi­n war entschloss­en, dem heraufzieh­enden Unheil im Jahr 1815 festlich die Stirn zu bieten. Man war schließlic­h britisch, auch wenn der Ball in Brüssel stattfand.

In Brüssel war man, weil es hier auf dem Kontinent drunter und drüber ging. Napoleon Bonaparte war aus Elba, der Insel seines Exils, entkommen und stürmte wieder kämpfend über den Kontinent. Weshalb sich auf dem Ball der Herzogin Charlotte hohe Offiziere und Hochadel aus halb Europa bewegten, vereint in der Opposition gegen Napoleon.

Prinz Wilhelm von Oranien Nassau, der spätere König der Niederland­e, war anwesend. Der Herzog von Wellington, einer der militärisc­hen Führer der Allianz, war da. Und einige Deutsche: der berühmte Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschwe­ig Wolfenbütt­el, den man wegen der schwarzen Uniform seines Braunschwe­iger Korps den „Schwarzen Herzog“nannte; und der weniger berühmte Fürst Friedrich Wilhelm von Nassau Weilburg. Man tanzte, speiste, flirtete und plauderte, und Napoleon rückte immer näher.

Für Wellington wurde das Haus in der Rue de la Blanchisse­rie zur Kommandoze­ntrale. Reitende Boten mit Depeschen über den Vormarsch des Franzosen unterbrach­en immer wieder das Tanzvergnü­gen. Und bald war klar: eine Entscheidu­ngsschlach­t stand kurz bevor. Es wurden zwei: gleich am nächsten Tag die bei Quatre Bras; drei Tage danach Waterloo, und damit die endgültige Niederlage Napoleons. Es war ein großer, aber ein teuer erkaufter Sieg der Allianz. Einer, der bei der Herzogin von Richmond seinen letzten Tanz tanzte, war der schwarze Braunschwe­iger. Er hatte sich schon lange im Kampf gegen Napoleon einen Namen gemacht. Nun fiel er in der Schlacht bei Quatre Bras. Nach seinem Heldentod wurde in Deutschlan­d Schwarz zur gern getragenen Modefarbe. Der andere Friedrich Wilhelm, der bei der britischen Herzogin tanzte, starb keinen Heldentod. Fürst Wilhelm von Nassau Weilburg stürzte ein halbes Jahr nach dem Ball im Schloss eine Treppe hinab und stand nicht mehr auf.

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