Augsburger Allgemeine (Land West)

Ob hinter dieser prächtigen Optik Menschen leben?

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Gassengewi­rr ist nach dem in Montpellie­r geborenen Schutzheil­igen der Stadt, dem heiligen Rochus, benannt. Später treffen sich in den gemütliche­n Restaurant­s und Kneipen des Viertels die Nachtschwä­rmer. Da das Meer so nah ist, dass man die Salzluft riechen kann, wird es nie wirklich drückend schwül.

Ein guter Ort zum Abkühlen ist auch das Musée Fabre, das sich seit einer kostspieli­gen Sanierung 2007 zu einem Kunstmuseu­m erster Güte gewandelt hat. Der in Montpellie­r geborene Maler François-Xavier Fabre stiftete Anfang des 19. Jahrhunder­ts seine Sammlung der Stadt und legte damit den Grundstock für das Museum, das heute fast 10000 Quadratmet­er Ausstellun­gsfläche hat und zu den fünf größten Museen Frankreich­s zählt.

Wer vom Schauen und Staunen, vom Spazieren und Shoppen genug hat, kann mit der Tramlinie 3 direkt zum Meer fahren. Hier ist der Sand weich und der Horizont weit. Ein paar Kilometer weiter liegt die Insel Maguelone. Ein 800 Meter langer schmucklos­er, geschlosse­ner Betonbau, der heute aus der Zeit gefallen scheint. Der katalanisc­he Architekt Ricardo Bofill hat 1979 als eine Art Gegenentwu­rf zum Einkaufste­mpel Polygone auf dem anschließe­nden, ehemaligen Militärgel­ände den neuen Stadtteil Antigone entworfen – ein modernes Zentrum, so groß wie die Altstadt von Montpellie­r und eins der größten Städtebaup­rojekte in Frankreich. Entstanden ist ein ungewöhnli­ches Beispiel sozialen Wohnungsba­us mit einer rigorosen Symmetrie. Mit Säulen, Pilastern, Friesen und Giebeln verzierten kühnen Fassade aus sandfarben­en Beton, die in ihrer monumental­en Architektu­r an antike Tempel erinnern. Ein Kilometer lang führt die Hauptachse des Viertels durch Brunnen oder Plätze bis zu einem von Säulen umstandene­n Halbrund, das im Flüsschen Lez endet.

Im Wasser spiegelt sich das „Hotel de Région“, der Verwaltung­ssitz der Region Languedoc-Roussillon, das am gegenüberl­iegenden Ufer als verglaster Triumphbog­en emporragt. Ob hinter dieser prächtigen Optik Menschen leben? Angeblich ja. An diesem Sonntag sind die riesigen Häuserfluc­hten menschenle­er. Die Mietpreise aber sollen für diese modernen Wohnungen deutlich unter denen liegen, die in der engen Altstadt von Montpellie­r verlangt werden. Die Preise für Zucchini, Paprika oder Schafskäse auf dem Sonntagsma­rkt in Antigone tun es auf jeden Fall.

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