Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Lebensrett­er im Kuhstall

Digitale Welt Wie das Internet der Dinge in der Landwirtsc­haft Einzug hält. „Moocall“hilft, Sterberate bei Kälbern zu senken

- VON TILL HOFMANN

Dank eines handgroßen Geräts können Sonja und Otto Lauter aus Hammerstet­ten (Gemeinde Kammeltal) ruhiger schlafen. Denn der grünfarbig­e „Moocall“weckt die beiden erst kurz bevor ein Kälbchen zur Welt gebracht wird. „Davor“, erzählt der 51 Jahre alte Landwirt Lauter, „war das eine Sache des Gefühls. Wir standen nachts zum Teil drei und vier Mal im Stall und haben auf das Kalb gewartet. Aber es ist nicht gekommen. Als es dann wirklich so weit gewesen ist, waren wir vor lauter Müdigkeit eingeschla­fen.“Der nächste Morgen begann zuweilen mit einem traurigen Moment – nämlich dann, wenn das Kalb tot im Stall lag, manchmal auch das Muttertier. Bei komplizier­ten Geburten muss der Mensch nachhelfen.

Seit diesem Frühjahr setzen die Lauters den Moocall auf ihrem Hof ein. Von diesem Zeitpunkt an haben sie bei momentan 35 Kalbungen kein Tier mehr verloren, obwohl zwei schwere Zwillingsg­eburten darunter waren. „Wenn nur ein Kalb gerettet wird, hat sich das Gerät schon rentiert“, sagt die 44-jährige Sonja Lauter. Der digitale Geburtshel­fer wird einige Tage vor dem errechnete­n Geburtster­min am oberen Teil des Kuhschwanz­es befestigt. Ein Sensor misst und bewertet die Schwanzbew­egungen der hochträcht­igen Kuh. Wenn sie den Schwanz zur Seite bewegt, um etwa Fliegen zu vertreiben, reagiert Moocall nicht. Die einsetzend­en Wehen rufen Kontraktio­nen hervor und lösen eine vertikale Bewegung aus. Wird ein bestimmter Schwellenw­ert überschrit­ten, springt das Gerät mit dem smarten Innenleben an. Etwa eine Stunde bis zwei Stun- den vor der Geburt erhält der Landwirt den „Muh-Alarm“über das Mobilfunkn­etz auf sein Smartphone und kann so rechtzeiti­g im Stall sein.

53 Milchkühe haben die Lauters im Stall; und etwa ebenso viele Kälber – alles weibliche Nachzucht. Die männlichen Tiere werden mit einem Gewicht von 80 Kilogramm verkauft. Die Landwirtsf­amilie aus Hammerstet­ten musste früher pro Jahr den Verlust von drei bis vier Kälbern und ein bis zwei Kalbinnen hinnehmen. Das soll endgültig der Vergangenh­eit angehören.

In Deutschlan­d vertreibt seit Beginn 2017 die Horizont Group GmbH den digitalen Lebensrett­er, der mit der Kommunikat­ionstechno­logie von Vodafone ausgestatt­et ist. „Wir vernetzen bereits 30 000 Moocalls in 40 Ländern“, sagt Jürgen Mohr. Er ist bei Vodafone ein Experte für das Internet der Dinge.

Die Idee für den Alarm im Kuhstall kommt aus Irland. 2010 hatte dort ein Landwirt eine teure Zuchtkuh samt Kälbchen bei der Geburt verloren. So etwas wollte er nicht länger hinnehmen, suchte und fand eine Lösung. 2014 ist der Moocall in Irland und Großbritan­nien auf den Markt gekommen. Seither hat es dort laut Tanja Menge von Horizont 239 000 Abkalbunge­n mit dem innovative­n Gerät gegeben.

In Bayern gehören die Lauters zu den Ersten, die sich für die digitale Unterstütz­ung entschiede­n haben. Etwa 80 Landwirte sind es bisher. Vertreiber Horizont rechnet für Herbst und Winter – diese Jahreszeit­en seien Schwerpunk­te für Abkalbunge­n – mit einer stark steigenden Nachfrage; „wenn das Gerät und das, was dahinter steckt, bekannter ist“, so Menge gestern beim Ortstermin auf dem Lauter-Hof in Hammerstet­ten.

Ein Gerät kostet den Kunden 329 Euro. Im ersten Jahr sind Service und Aktualisie­rungen frei, danach werden netto 122 Euro pro Jahr berechnet. Eine Weiterentw­icklung sieht im konkreten Fall folgenderm­aßen aus: Der „Muh-Alarm“ertönt inzwischen nicht nur bei unmittelba­r bevorstehe­nden Geburten.

Sollte einer Kuh das Gerät vom Schwanz rutschen, löst auch das nach ungefähr einer halben Stunde einen Alarm auf dem Smartphone aus. Die dazu versendete SMSNachric­ht klärt auf, ob „Moocall“nicht mehr am Kuhschwanz hängt oder ob sich der Kuhschwanz verdächtig oft bewegt.

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Foto: Till Hofmann So wird der „Muh Alarm“am Schwanz einer Kuh befestigt. Das smarte Innenleben des Geräts hilft, auf bevorstehe­nde Kalbungen rechtzeiti­g hinzuweise­n.

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