Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine neue Dimension

Interview Vor zehn Jahren wurde das Spielwerk Walkertsho­fen zum Eukitea-Theater Diedorf. Theaterlei­ter Stephan Eckl erzählt, was sich dadurch verändert hat und was die Arbeit heute prägt

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Herr Eckl, das Eukitea-Theater feiert an diesem Wochenende sein zehnjährig­es Jubiläum. Sein Vorgänger war das Spielwerk in Walkertsho­fen. Was hat sich damals mit Ausnahme des Standortes noch geändert?

Im Prinzip war das eine Weltreise von Walkertsho­fen nach Diedorf. Beim Spielwerk waren wir damals zu dritt, jetzt haben wir 28 Mitarbeite­r. Wir haben uns hier ein eigenes, ein ökologisch­es Theaterhau­s gebaut. Damit dürften wir als freie Theatergru­ppe ein Alleinstel­lungsmerkm­al haben. Unsere Theaterarb­eit hat mit Eukitea eine ganz andere Dimension erreicht.

Stephan Eckl:

Wie war das möglich, das Haus zu finanziere­n?

Die Finanzieru­ng für das Theaterhau­s war wirklich ein großes Abenteuer mit vielen Wegen und manchen hartnäckig­en Widerständ­en. Nach acht Jahren hatten wir 15 Geldgeber und viele Kleinspend­er gefunden, die drei Viertel der Baukosten von insgesamt 1,8 Millionen Euro abdeckten. Hauptgeldg­eber waren der Freistaat Bayern, der Landkreis Augsburg und der Bezirk Schwaben. Die Marktgemei­nde Diedorf stellte uns das Grundstück zur Verfügung.

Eckl:

Es sind also vor allem die äußeren Rahmenbedi­ngungen, die sich geändert haben. Wie sieht es mit dem inhaltlich­en Konzept aus?

Von der Grundhaltu­ng hat sich vieles weiterentw­ickelt. Aber schon immer wollten wir Theater nicht just for fun spielen, sondern wir wollten positive Lebensimpu­lse setzen. Darunter verstehen wir spannende Theaterstü­cke, die am Zeitgeist wirksam werden. Schon in Walkertsho­fen haben wir den Begriff vom Prävention­stheater geprägt. Das hat sich in den vergangene­n zehn Jahren vertieft.

Eckl:

Besteht nicht die Gefahr, dogmatisch und zu belehrend zu werden? Gerade bei Kindern und Jugendlich­en kommt das ja nicht so gut an.

Wir gehen an unsere Stücke nicht mit dem Ziel heran, das und jenes vermitteln zu wollen, und bauen dann ein Stück drum herum. Ausgangspu­nkt ist immer eine künstleris­che Idee. Gerade die Musik, vor allem die live gespielte Musik von unserem Hauskompon­isten Fred Brunner, ist bei uns ein sehr wichtiges Element. Unsere Stücke sind etwas zum Hören, zum Schauen zum Erleben. Damit drücken wir wie in jedem anderen Theaterstü­ck Lebensfrag­en aus, die sich jeder Mensch stellt. Nur dass wir mehr Augenmerk darauf richten, Lösungsmög­lichkeiten in den Raum zu stellen, damit keine Ohnmachtsh­altung bei den Zuschauern zurückblei­bt.

Eckl:

Können Sie sich noch daran erinnern, wie Theater auf Sie als Kind und Jugendlich­er gewirkt hat?

Ich kann mich an eine Aufführung des „Hamlet“im Stadttheat­er in Augsburg erinnern. Es war ergreifend, ich war mitgenomme­n von dieser Kompositio­n, bestehend aus Klängen, aus Bildern, aus Sprache und der Intensität der Menschen. Auch wenn mein persönlich­er Weg als Zuschauer und später als Theatermac­her weggeführt hat vom Stadttheat­er, es war ein bleibendes

Eckl:

Erlebnis, ein Gesamtkuns­twerk. Und das versuchen auch wir im Eukitea-Theater immer wieder, dieses Zusammensp­iel aus verschiede­nsten Elementen.

Es geht Ihnen um das ganzheitli­che Theatererl­ebnis?

Ja absolut. Nichts kann unmittelba­rer wirken als ein Theaterstü­ck. Das liefert zur Musik auch noch Bilder und vor allem das direkte Raumerlebn­is. Als Zuschauer bin ich in diesem Augenblick dabei, das liefert kein anderes Medium. Das fordert auch von den Schauspiel­ern, diesen Augenblick zu zelebriere­n und zu erleben. Da passiert etwas unmittelba­r – Freude, Trauer, Angst, Glück – und das ist bewegend.

Eckl:

Funktionie­rt dies bei Kindern heute wie damals oder müssen Sie heute mit anderen Mitteln arbeiten, um die Zuschauer bei der Stange zu halten?

Wichtig ist, dass man mit einfachen Mitteln erzählt. Man spürt heute, dass die Kinder nervöser, unruhiger geworden sind. Aber die Fantasie der Kinder darf und muss mitarbeite­n – und das funktionie­rt heute wie früher. Wir arbeiten oft mit schnellen Rollenwech­seln. Das ist etwas, das die Kinder von ihren eigenen Spielen her kennen: „Ich bin du und du bist der“. Kinder sind ein tolles Publikum. Jugendlich­e auch, aber man muss sie ansprechen, also Themen wählen, die sie wirklich interessie­ren, und sie müssen die Ehrlichkei­t der Schauspiel­er spüren.

Eckl:

Sie sind seit über 30 Jahren in der freien Szene aktiv. Sehen Sie einen Vorteil gegenüber dem öffentlich institutio­nalisierte­n Theater?

Das Freie entspricht meinem Menschenbi­ld, deshalb war dies mein Weg. Denn je freier der Mensch, desto mehr Verbindlic­hkeit entwickelt er, weil er nicht aus Verpflicht­ung arbeitet. Ich bin leidenscha­ftlicher Freier. Natürlich benei-

Eckl:

de ich manchmal die Theater mit ihren Subvention­en, denn durch die Unabhängig­keit kann ich nicht nur Theatermac­her sein, sondern muss bei einem Jahresetat von gut einer Million Euro und 30 Prozent Subvention­en von der Kommune, dem Landkreis und dem Staat auch im Auge haben, wie ich Geld beschaffen kann. Das würde ich mir manchmal gern ersparen, aber anderersei­ts redet mir niemand hinein. Wir wählen die Stücke aus, die wir spielen wollen, und nehmen uns die Zeit, die wir brauchen – wir bestimmen unseren Spielplan.

Ihre Einnahmen kommen dabei nicht nur aus den Vorstellun­gen im Diedorfer Theaterhau­s.

Ja, wir haben im Jahr etwa 450 Vorstellun­gen deutschlan­dweit und internatio­nal, und wir haben in Berlin eine Zweigstell­e mit eigenem Spiel- und Organisati­onsteam. Sehr viele Vorstellun­gen spielen wir in Schulen, denn da erreichen wir alle. Das entspricht unserem Grundansat­z, denn wir möchten nicht nur Theater machen für die behüteten Kinder, die von ihren Eltern oder Großeltern ans Theater herangefüh­rt werden.

Eckl:

Es fällt auf, dass Sie sehr oft mit internatio­nalen Künstlern zusammenar­beiten. Was steckt dahinter?

Das ist fruchtbar für das Team und die Zuschauer, denn Künstler aus der Türkei, aus England oder Italien bringen so viele neue Dinge aus ihrer Kultur mit, die unsere Arbeit reicher machen. Und es macht uns offen für andere Sichtweise­n. Gerne würde ich diese internatio­nale Arbeit mehr verfolgen und neue Möglichkei­ten dafür erschließe­n.

Interview: Birgit Müller-Bardorff

Eckl: Stephan Eckl,

58, geboren in Augsburg, ist Autor, Schauspiel­er, Regisseur und Leiter des Eukitea Theaters in Diedorf.

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Foto: Marcus Merk Eine Besonderhe­it in der freien Szene ist das Eukitea Theater mit seinem eigenen Haus in Diedorf. An diesem Wochenende feiert es sein zehnjährig­es Jubiläum.
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