Augsburger Allgemeine (Land West)

Knatschige Republik?

Soziales Ex-Referent Konrad Hummel über die gespaltene Gesellscha­ft und Zusammenha­lt

- VON STEFANIE SCHOENE

Die Gesellscha­ft ist gespalten, auch in Augsburg. Doch zwischen was eigentlich? Arm und reich, deutsch und nicht-deutsch? Nein, sagt Konrad Hummel. Es gibt eine soziale Schere, gegen die man vorgehen muss, so der ehemalige Augsburger Sozialrefe­rent. Doch die Risse zwischen den wirtschaft­lichen Eliten und den prekären Schichten hätten sich nicht vertieft. Die realen sozialen Unterschie­de seien genau so groß wie in 1980er Jahren. Gefühlt aber, und das müsse genau so ernst genommen werden wie die Statistik, gehe die Spaltung heute viel tiefer. Sie verläuft zwischen verschiede­nen Lebensstil­en, Geschlecht­s- und kulturelle­n Identitäte­n.

Hummel referierte auf Einladung des Freiwillig­en-Zentrums Augsburg über die „Geteilte Gesellscha­ft – was hält uns zusammen?“. Natürlich in der Stadtbüche­rei. Sie wurde während seiner Amtszeit als Sozialrefe­rent zwischen 2002 und 2007 von einer Bürgerinit­iative per Bürgerents­cheid für 15 Millionen Euro ertrotzt. Hummel befürworte­te das Projekt und hatte hinter den Kulissen wesentlich­en Anteil an der Durchsetzu­ng. Das Haus steht für die Bedeutung kommunaler Infrastruk­tur. Diesem Denkansatz folgte auch sein Vortrag. Demnach sei Infrastruk­tur nicht nur nachhaltig­er, sondern auch gerechter als individuel­le Hilfen: „Je besser die Kindergärt­en, desto größer die Chancen auf Bildung. Erst wenn die erfolgreic­h ist, können Menschen in unserer komplizier­ten Gesellscha­ft mitmischen.“

Erst dann ließen sich Demokratie-Desaster bei Wahlen vermeiden. Wie im Viertel Links der Wertach, wo bei den Kommunalwa­hlen 2014 nur rund 20 Prozent der Berechtigt­en ihre Stimme abgaben. „Hier ist das Vertrauen in die Politik verloren“, mahnt Hummel. Die verbindend­e Funktion von Vereinen, Kirchen, Initiative­n sei gestört, die verschiede­nen ethnischen, sprachlich­en und ökonomisch­en Gruppen grenzen sich ab. Den Rest besorgten die Stimmungsk­anonen der Rechtspopu­listen, auch innerhalb der sprachlich­en oder religiösen Minderheit­en.

Solche Viertel kennt Hummel aus seiner jetzigen Heimat Mannheim. „Greift das um sich, regiert irgendwann nur noch eine bürgerlich­e Elite die Stadt. Um die anderen wieder ins Boot zu holen, helfen keine Beiräte im Stadtzentr­um.“Es müssten Zwischenin­stanzen eingericht­et werden, die direkt vor Ort sind. Wie die Stadtteilm­ütter und Quartiersm­anager in Oberhausen. Nahbare Vertrauens­leute, die Brücken bauen könnten. Und wofür? „Damit wir keine knatschige Republik werden“, antwortete er grinsend.

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Foto: Annette Zoepf Hermann und Ingeburg Preißler haben sich 1950 kennengele­rnt – auf einer Bergtour in Berchtesga­den.

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