Augsburger Allgemeine (Land West)

SPD: CSU Politik hilft der AfD

Heftige Kritik am Integratio­nsgesetz

- VON HENRY STERN

München

Das nach heftigem politische­n Streit von der CSU-Mehrheit im Landtag durchgeset­zte bayerische Integratio­nsgesetz wird rund neun Monate nach Inkrafttre­ten nahezu nicht angewandt. Das geht aus den Antworten von Sozialmini­sterin Emilia Müller (CSU) auf zwei parlamenta­rische Anfragen der Landtags-SPD hervor.

Demnach gibt es bislang weder Zuwanderer, die wegen verfassung­sfeindlich­er Ansichten zu einem „Grundkurs“zur Rechts- und Werteordnu­ng verpflicht­et wurden, noch wurden Geldstrafe­n wegen „Unterlaufe­n der verfassung­smäßigen Ordnung“verhängt. Auch über die nun mögliche Streichung landesrech­tlicher Fördermitt­el für Migranten etwa bei mangelhaft­er Mitwirkung bei der Identitäts­klärung will die zuständige Ministerin nach eigener Auskunft auch keinerlei Erkenntnis­se haben.

„Die Regeln finden ausnahmslo­s keine Anwendung“, kritisiert­e SPD-Fraktionsc­hef Markus Rinderspac­her gestern im Landtag. „Das zeigt: Das gesamte Gesetz ist eine schädliche Symbolpoli­tik auf dem Rücken der Migranten, die nur die politische Kultur vergiftet.“Die einzelnen Sanktionsm­aßnahmen hält der SPD-Mann für falsch und extrem schädlich: „Ich kann mich über die Nicht-Anwendung aber nicht freuen, weil der Kollateral­schaden so groß ist.“Aus wahltaktis­chen Gründen habe die CSU monatelang „ein düsteres Bild massenhaft nicht integratio­nswilliger Migranten gezeichnet“. Nun zeige sich, dass von diesem Bild in der Wirklichke­it nichts übrig bleibe. Der politische Schaden sei dennoch immens, weil die gesamte Debatte „letztlich nur ein Konjunktur­programm für den Rechtspopu­lismus und die AfD ist“, findet der SPD-Politiker.

Gleichzeit­ig hebelt die CSU-Regierung laut Rinderspac­her die wenigen in dem Gesetz festgeschr­iebenen Fördermaßn­ahmen aus – etwa bei vorschulis­cher Sprachförd­erung, Bildungs- und Integratio­nsangebote­n. Die Umsetzung der versproche­nen Maßnahmen durch im Gesetz verlangte Rechtsvero­rdnungen habe bislang schlicht nicht stattgefun­den.

Zumindest die Chancen der von der SPD im Frühjahr eingereich­ten Verfassung­sklage gegen das bayerische Integratio­nsgesetz sieht Rinderspac­her nun verbessert.

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