Augsburger Allgemeine (Land West)
Erst die Anspannung, dann der Erfolg
Musik Die Augsburgerin Sarah Christian hat beim ARD-Musikwettbewerb überzeugt. In den einzelnen Runden bis zum Finale hatte sie eine klare Idee, wie sie ihre Stücke vorträgt
Gratulation der neuen ARD-Musikpreisträgerin! Freuen Sie sich, dass der Mordsstress nun vorbei ist?
Sarah Christian: Danke. Es war natürlich superanstrengend, die Anspannung auszuhalten. Das zehrt an den Kräften. Aber stressig war es nicht so sehr, da ich mittlerweile in München lebe und außerhalb des Wettbewerbs zuhause ein relativ normales Leben führen konnte.
Gönnen Sie sich jetzt ein wenig Entspannung? Christian: Würde ich gern, aber mein Terminkalender gibt es leider nicht her. Nach dem Preisträgerkonzert muss ich gleich nach Bremen für ein Release-Konzert für die CD, die ich herausgebracht habe. Dann bin ich in der Schweiz für ein Projekt. Und dann wieder in Bremen. Die Saison geht in die Vollen. Da bleibt nicht viel Zeit zur Entspannung.
Welche Glückwünsche zum Wettbewerbspreis haben Sie besonders gefreut?
Christian: Ich freue mich natürlich über jede einzelne Nachricht. Eine große Überraschung war, dass einer meiner ersten Lehrer, Samson Gonaschwilli, angerufen hat.
Wettbewerbserfolge und Preise begleiten Sie seit Ihrer Kindheit. Fühlten Sie sich als Wunderkind?
Christian: Nein, das maße ich mir nicht an, von mir selber zu behaupten. Der Begriff ist mit so vielen Erwartungen beladen. Was heißt Wunderkind? Ich habe einfach sehr früh angefangen, Musik zu machen. Ich habe das immer schon sehr geliebt.
Mit dreizehn war Ihnen klar: „Entweder werde ich Professorin oder Solistin.“Wie geradlinig verlief Ihr Weg an die Spitze?
Christian: Echt, so was habe ich gesagt? Was heißt geradlinig? Ich kann über meinen Weg gar nicht so viel Spannendes erzählen, weil alles sehr flüssig kam – auch die Stelle als Konzertmeisterin der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Ich fühlte mich immer wohl auf dem Weg, deswegen machte ich nie große Unternehmungen in eine spezielle Richtung. Der ARD-Wettbewerb wird mir jetzt hoffentlich in der solistischen Richtung weiterhelfen. Kammermusik werde ich sowieso weiterhin pflegen. Der Mix aus diesen drei Bereichen gefällt mir wahnsinnig gut.
Das Lob einer Fachjury ist das eine, das Publikum zu faszinieren das andere. Was ist schwerer zu erreichen?
Christian: Ich habe in dem ganzen Wettbewerb versucht, Konzerte zu spielen und nicht Wettbewerbsrunden. Ich wollte meine Version von den Stücken dem Publikum und eingeschlossen der Jury darbieten. Im Endeffekt geht es darum, wie wir Künstler auf der normalen Bühne sind, was wir ausdrücken wollen mit der Musik und was wir darüber denken. Das ist auch das Einzige, was einem hilft, ruhig zu bleiben und die richtigen Prioritäten zu setzen während einer psychisch anstrengenden Wettbewerbszeit.
Vermutlich werden Sie in Zukunft aussuchen können, in welchen Konzertsälen Sie auftreten?
Christian: Ich weiß gar nicht, ob ich das will. Aussuchen ist ja auch nicht so leicht. Ich habe natürlich schon Konzertangebote bekommen und werde ein paar Gespräche mit Agenturen führen. Dann wird sich zeigen, was kommt.
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen bleibt weiterhin Ihre Basis?
Christian: Auch das wird sich zeigen. Wir sind drei Konzertmeister und das Orchester ist projektweise organisiert. Da wir uns flexibel alles aufteilen können, war es bisher nie ein Problem, nebenher auch viele andere Angebote anzunehmen. Wir sind Gesellschafter, nicht Angestellte, und selbst verantwortlich dafür, was wir uns leisten können. Bisher war ich wahnsinnig glücklich bei der Kammerphilharmonie, denn ich habe dort die Gelegenheit, ohne Dirigent mal eine Sinfonie zu führen. Wenn man als 23-Jährige auf Musiker mit 20, 30 Jahren Orchesterpraxis trifft und sie führen soll, braucht man
schon eine große Portion Selbstbewusstsein. Das hat mir selbst als Künstlerin sehr viel Inspiration gegeben und sehr viel Sicherheit, in der eigenen Art zu interpretieren.
Gerade haben Sie Ihre erste Einspielung vorgestellt. Wird bald eine weitere Produktion folgen?
Christian: Ja hoffentlich. Ich weiß noch nicht, in welcher Form und wann. Aber natürlich will ich weiter aufnehmen. Spannend finde ich den Arbeitsprozess, sich damit auseinanderzusetzen, was beim Mikro ankommt und wie man ein Stück noch farbiger gestalten kann. Auch dies ist sehr entwicklungsfördernd.
Zählt Sergej Prokofjew zu Ihren Lieblingskomponisten? Sie spielten seine Werke auf der CD und im Finale.
Christian: Lieblingskomponist nein, da gibt es zu viele, was ich fantastisch finde. Ich könnte mich ganz schwer entscheiden für nur einen Komponisten. Ich habe das Prokofjew-Konzert vor zehn Jahren im Unterricht gespielt, aber noch nie öffentlich. Zum ARD-Finale war es das erste Mal.
Ihren ersten Preis errangen Sie mit fünf am Klavier. Spielt das Piano noch eine Rolle für Sie?
Christian: Das bereue ich tatsächlich, dass ich irgendwann das Klavier vernachlässigt habe. Bevor ich relativ früh nach Salzburg zum Studium ging, hatte ich noch regelmäßig Klavier gespielt. Im Studium hatte ich auch Klavier-Prüfungen. Aber seit ich 2010 nach Berlin kam, hat das Klavierspiel sehr nachgelassen. Doch vor ein paar Wochen habe ich mir überlegt, ob es nicht Zeit wäre, einen Flügel zu kaufen und hin und wieder ein bisschen zu üben.
Bei Ihren Wettbewerbskonzerten saßen auch sehr viele Augsburger im Publikum. Wie stark ist Ihre Basis in der Heimatstadt?
Christian: Ich bin wahnsinnig gerne in Augsburg und mittlerweile auch wieder regelmäßiger, weil ich um die Ecke wohne. Im Mai findet ja immer das „Freistil“-Festival im Mozartfest statt und so kann ich auch regelmäßig „zuhause“spielen.
Interview: Alois Knoller
Sarah Christian, 27, wurde in Augs burg in eine Musikerfamilie hinein geboren. Mit drei Jahren begann sie, Geige und Klavier zu spielen. Sie studierte bei Igor Ozim am Salzburger Mozarteum und bei Antje Weithaas in Berlin, Hochschule Hanns Eisler.