Augsburger Allgemeine (Land West)
Ethnologie in Augsburg
Vielleicht erinnern Sie sich noch an Werner Herzogs Film „Fitzcarraldo“mit Klaus Kinski in der Hauptrolle. Ich glaube, im Internet kann man noch heute den lautstarken Disput zwischen Herzog und seinem Hauptdarsteller bestaunen, wie sie sich mitten im Dschungel anbrüllen. Aber das Faszinosum in dieser Sequenz sind die südamerikanischen Indianer (viele von ihnen noch mit wenig Kontakt zur „Zivilisation“), die still daneben stehen und den Streit ungläubig verfolgen. Diese Indianer, so hat Herzog später erzählt, redeten auch untereinander ganz leise. „Ausrasten“kannten die nicht, auch unter ihresgleichen war Distanz ein Wesensmerkmal. Aber sie boten damals Herzog an, Kinski den Garaus zu machen. Ja, ja, andere Länder, andere Sitten.
Oft versuche ich, mich in einen Flüchtling aus Syrien oder Afrika hineinzuversetzen, und überlege, wie sein ethnologischer Blick auf den Augsburger ausfällt. Wenn der Omnibusfahrer mit versteinerter Miene hinter seinem Fahrersitz klebt und die Leute auf der Straße niemanden grüßen. (Andererseits: Grüßen sich die Leute in Damaskus, hm?) Seltsam muss es dem Eingewanderten vorkommen, wenn Menschen hier vor ihrem Haus stundenlang das Gras aus der Rinne zwischen Bordstein und Straße zupfen und sich im Sommer den ganzen Tag in den Garten legen um sich dort „braun“brutzeln zu lassen. Oder er sieht junge Frauen, deren Hotpants große Teile des Hinterns freilegen. In einem Punkt sind sich Einheimische und Zuwanderer ähnlich: im exorbitanten Gebrauch des Smartphones.
Vor etwa 30 Jahren entdeckten Ethnologen auf Neuguinea einen bis dato unentdeckten Stamm, der noch lebte wie in der Steinzeit. Die Ethnologen – so stand es im GEO – staunten nicht schlecht, als ein Stammesmitglied innerhalb einer Woche das Motorradfahren lernte und mit demselben begeistert durch den Busch bretterte.
Also: Die Anpassungsfähigkeit des Menschen ist groß.
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An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.