Augsburger Allgemeine (Land West)
Wem gehört die Demokratie?
Wahlen Eine Diskussion der sechs Bundestags-Direktkandidaten verlief mitunter hart, meist aber fair
Es waren die Wirtschaftjunioren, die zum Disput geladen hatten. Die Stimmung war gespannt, vor allem wegen der Reaktionen im Saal. Immobilienhändler Dirk Schäfer dirigierte die sechs Direktkandidaten der Bundestagswahl – Volker Ullrich (CSU), Claudia Roth (Grüne), Ulrike Bahr (SPD), Manfred Seel (Linke Donauwörth), Maximilian Funke-Kaiser (FDP) und Markus Bayerbach (AfD) – durch die Themen Europa, Einwanderung, Sicherheit und Staatsfinanzen. Bayerbach war bislang sonst nur bei einer kleineren Diskussion geladen. Bei Podiumsdiskussionen, zumal in einem bürgerlichen Rahmen wie dem IHK-Saal, sind die Diskutanten meist unter sich, das Publikum tut, wofür es vorgesehen ist: zuhören und verhalten Zustimmung signalisieren. In diesem Wahlkampf jedoch ist etwas anders, auch in Augsburg. Die Stimmung ist gespannter, die Wähler lassen sich nicht mehr so einfach auf ihre Plätze verweisen.
Zwar suchte Roth zwischendurch den Kontakt zu den lauten Unzufriedenen in der ersten Reihe, doch die Moderation kappte den beginnenden Dialog. Vor allem ihre Äußerung, Deutschland sei eines der sichersten Länder der Welt, brachte Roth höhnisches Lachen ein. Als sie fortfuhr, eine Destabilisierung gehe vor allem von Angriffen auf Flüchtlingsheime aus, wurden Buh-Rufe und Gelächter lauter.
Applaus erntete Bayerbach: „Deutschland ist nicht sicher, sonst hätte es beim G-20-Gipfel keine Kontrollen an den EU-Innengrenzen gegeben. Und die Poller bei Volksfesten stehen da auch wegen drohender Gefahren.“Funke-Kaiser bescheinigte dem Kandidaten, „relativ vernünftig“zu sein. Die AfD an sich aber, das äußerten alle bis auf Ullrich ungefragt, zähle nicht zum demokratischen Parteienspektrum. Sie hetze und spalte. Kopfschütteln und Gemurmel bei einigen Zuhörern. Seel berichtete vom Auftritt der AfD-Spitzenkandidatin in Donauwörth. Von 20 Bodyguards, „Braunhemden“, sei sie geschützt worden. Der Begriff sorgte für Tumult unter etwa 30 Zuhörern. Ullrich rief: „Respekt! Sogar die Bundestagsdebatten haben mehr Stil.“
Bayerbach, der nach eigenen Angaben unter Weidels Begleitern in Donauwörth war, verbat sich NSVergleiche. Ob denn die Äußerung seines Vorsitzenden Alexander Gauland, die Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) in Anatolien zu „entsorgen“, nicht an den Nationalsozialismus erinnere, wollte Roth daraufhin wissen. Bayerbach gab zurück, der Begriff „entsorgen“sei auch bei Sigmar Gabriel in Gebrauch.
Auch Bayerbach versuchte sich in Populismus: Er wollte wissen, ob die SPD Özoguz zustimmt, dass es „jenseits der deutschen Sprache keine deutsche Kultur“gebe. Ermunterndes Grummeln im Publikum. Bahr erklärte, diese AfD-Deutschtümelei solle doch lediglich Einwanderergruppen grenzen. Özoguz halte sich an das Grundgesetz.