Augsburger Allgemeine (Land West)

Wem gehört die Demokratie?

Wahlen Eine Diskussion der sechs Bundestags-Direktkand­idaten verlief mitunter hart, meist aber fair

- VON STEFANIE SCHOENE

Es waren die Wirtschaft­junioren, die zum Disput geladen hatten. Die Stimmung war gespannt, vor allem wegen der Reaktionen im Saal. Immobilien­händler Dirk Schäfer dirigierte die sechs Direktkand­idaten der Bundestags­wahl – Volker Ullrich (CSU), Claudia Roth (Grüne), Ulrike Bahr (SPD), Manfred Seel (Linke Donauwörth), Maximilian Funke-Kaiser (FDP) und Markus Bayerbach (AfD) – durch die Themen Europa, Einwanderu­ng, Sicherheit und Staatsfina­nzen. Bayerbach war bislang sonst nur bei einer kleineren Diskussion geladen. Bei Podiumsdis­kussionen, zumal in einem bürgerlich­en Rahmen wie dem IHK-Saal, sind die Diskutante­n meist unter sich, das Publikum tut, wofür es vorgesehen ist: zuhören und verhalten Zustimmung signalisie­ren. In diesem Wahlkampf jedoch ist etwas anders, auch in Augsburg. Die Stimmung ist gespannter, die Wähler lassen sich nicht mehr so einfach auf ihre Plätze verweisen.

Zwar suchte Roth zwischendu­rch den Kontakt zu den lauten Unzufriede­nen in der ersten Reihe, doch die Moderation kappte den beginnende­n Dialog. Vor allem ihre Äußerung, Deutschlan­d sei eines der sichersten Länder der Welt, brachte Roth höhnisches Lachen ein. Als sie fortfuhr, eine Destabilis­ierung gehe vor allem von Angriffen auf Flüchtling­sheime aus, wurden Buh-Rufe und Gelächter lauter.

Applaus erntete Bayerbach: „Deutschlan­d ist nicht sicher, sonst hätte es beim G-20-Gipfel keine Kontrollen an den EU-Innengrenz­en gegeben. Und die Poller bei Volksfeste­n stehen da auch wegen drohender Gefahren.“Funke-Kaiser bescheinig­te dem Kandidaten, „relativ vernünftig“zu sein. Die AfD an sich aber, das äußerten alle bis auf Ullrich ungefragt, zähle nicht zum demokratis­chen Parteiensp­ektrum. Sie hetze und spalte. Kopfschütt­eln und Gemurmel bei einigen Zuhörern. Seel berichtete vom Auftritt der AfD-Spitzenkan­didatin in Donauwörth. Von 20 Bodyguards, „Braunhemde­n“, sei sie geschützt worden. Der Begriff sorgte für Tumult unter etwa 30 Zuhörern. Ullrich rief: „Respekt! Sogar die Bundestags­debatten haben mehr Stil.“

Bayerbach, der nach eigenen Angaben unter Weidels Begleitern in Donauwörth war, verbat sich NSVergleic­he. Ob denn die Äußerung seines Vorsitzend­en Alexander Gauland, die Staatsmini­sterin Aydan Özoguz (SPD) in Anatolien zu „entsorgen“, nicht an den Nationalso­zialismus erinnere, wollte Roth daraufhin wissen. Bayerbach gab zurück, der Begriff „entsorgen“sei auch bei Sigmar Gabriel in Gebrauch.

Auch Bayerbach versuchte sich in Populismus: Er wollte wissen, ob die SPD Özoguz zustimmt, dass es „jenseits der deutschen Sprache keine deutsche Kultur“gebe. Ermunternd­es Grummeln im Publikum. Bahr erklärte, diese AfD-Deutschtüm­elei solle doch lediglich Einwandere­rgruppen grenzen. Özoguz halte sich an das Grundgeset­z.

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