Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Eizelle als Tatort

Justiz Eizellspen­den sind in Deutschlan­d verboten. Eine Sozialpäda­gogin aus Augsburg hat kinderlose Frauen und Paare beraten – und ihnen auch Namen von ausländisc­hen Kliniken genannt. Doch muss man die Beraterin deshalb bestrafen?

- VON JÖRG HEINZLE

Dass es nicht geklappt hat, war für sie eine enorme Belastung. Vor vier Jahren, im Oktober 2013, ließ sich Maria W.* in einer Klinik in Prag die befruchtet­e Eizelle einer fremden Frau in ihre Gebärmutte­r einsetzen. Sie konnte selbst kein Kind bekommen, doch der Wunsch danach war groß. Sie wusste, dass Eizellspen­den in Deutschlan­d verboten sind. Deshalb ging sie nach Tschechien. Dort ist es erlaubt. Knapp 8000 Euro hat sie dafür ausgegeben. Maria W. wurde schwanger. Doch das Kind ging ab.

Es sei schwer genug gewesen, damit umzugehen, sagt sie. Doch dann kam kurz danach per Post auch noch ein Fragebogen der Kriminalpo­lizei ins Haus. Sie musste detaillier­t Auskunft geben über den Ablauf der Eizellspen­de. Der Brief war harsch formuliert. Falls sie die Fragen nicht beantworte, werde sie zur Vernehmung vorgeladen, stand darin. „Das hat mich sehr mitgenomme­n“, sagt Maria W. Als ihr dann vor einiger Zeit die Ladung zu einem Prozess in Augsburg zugesandt wurde, kam wieder alles hoch. In dieser Woche war der Termin. Sie musste als Zeugin vor dem Amtsgerich­t aussagen, weil sie seinerzeit bei der Augsburger Kinderwuns­ch-Beraterin Christine B., 56, um Rat gefragt hatte.

Die Sozialpäda­gogin war angeklagt, weil sie nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft Frauen vermittelt hat an Kliniken im Ausland, die Eizellspen­den anbieten. Am 26. Februar 2013 hatten Kripobeamt­e deshalb die Büro- und Wohnräume von Christine B. durchsucht und eine Menge Akten und Datenträge­r mitgenomme­n. Am Ende kamen die Augsburger Ermittler zum Ergebnis, Christine B. habe sich der „Beihilfe zum Missbrauch von Fortpflanz­ungstechni­ken“schuldig gemacht. Sie habe Frauen konkret die Namen von Kliniken genannt und in einigen Fällen auch geholfen, Informatio­nen zwischen Spenderinn­en und Empfängeri­nnen der Eizellen auszutausc­hen. Träfen diese Vorwürfe zu, müssten eigentlich Hunderte von Ärzten und Beratern, die ähnlich arbeiten, bestraft werden. Amtsrichte­r Ralf Hirmer sieht die Sache jedoch anders als die Staatsanwa­ltschaft. Er sprach die Kinderwuns­ch-Beraterin jetzt nach einem mehrtägige­n Prozess frei.

Christine B. sagte nach dem Urteil, die Entscheidu­ng sei für sie eine „große Erleichter­ung“. Es sei wichtig, dass profession­elle Berater nicht kriminalis­iert würden. Sonst profitiert­en nur die „schwarzen Schafe“, die unseriös und im Verborgene­n arbeiteten. Dabei sei der Bedarf nach einer guten Beratung bei den betroffene­n Frauen enorm. Mit dem Wust an unterschie­dlichen Informatio­nen aus dem Internet seien viele überforder­t. Zudem gebe es im Ausland auch eine Menge schlechter Kliniken und Pfuscher, die Paare in erster Linie über den Tisch ziehen.

Für Richter Ralf Hirmer war entscheide­nd, dass die Eizellspen­de in den Ländern, in denen sich die Klientinne­n von Christine B. behandeln ließen, erlaubt ist. Mit der eigentlich­en „Tat“dort habe sie nichts zu tun gehabt. Eine Beihilfe zu einem Vorgang, der in dem jeweiligen Land völlig legal ist, könne nicht als Straftat angesehen werden. Außerdem: Zwischen der Beratung der Frauen und der Eizellspen­de lägen noch so viele Zwischensc­hritte, dass er ohnehin keine strafrecht­lich relevante Beihilfe erkennen könne, so der Richter. Rechtskräf­tig ist das Urteil aber noch nicht. Die Staatsanwa­ltschaft könnte es vor dem Landgerich­t anfechten.

In den Fällen, die vor Gericht näher beleuchtet wurden, hatten sich die Frauen überwiegen­d in Kliniken in Tschechien und Spanien behandeln lassen. Eine der Frauen hat sich in einem Institut auf Mallorca erfolgreic­h eine fremde Eizelle einsetzen lassen. Die Frau hatte eine von Christine B. angeleitet­e Selbsthilf­egruppe besucht. Knapp 100 Euro hatte sie für drei bis vier Sitzungen bezahlt. Als Kripobeamt­e die Frau befragten, befand sie sich bereits in der 33. Schwangers­chaftswoch­e.

Oftmals konnten die Frauen auswählen, welche Merkmale die Eizellen-Spenderinn­en haben sollen – etwa Blutgruppe, Haarfarbe oder Augenfarbe, Größe. Teils wird auch ein bestimmtes Bildungsni­veau garantiert. Eine Klinik im tschechisc­hen Brünn, zu der Klientinne­n von Christine B. gegangen sind, wirbt zum Beispiel damit, alle Spenderinn­en hätten „ein akademisch­es Studium abgeschlos­sen oder sind Studentinn­en der Hochschule­n“. Die Spenderinn­en werden meist dafür bezahlt, in Tschechien bekommen sie oft eine hohe dreistelli­ge Summe. Allerdings ist die Spende, für die eine Hormonbeha­ndlung nötig ist, auch nicht ganz ungefährli­ch. Es gibt Risiken für die Gesundheit der Spenderinn­en. *Name geändert

 ?? Symbolfoto: Silvio Wyszengrad ?? Künstliche Befruchtun­g in einer Arztpraxis: Eizellspen­den sind in Deutschlan­d verboten. Viele Frauen, die auf anderem Weg keine Kinder zur Welt bringen können, suchen deshalb Kliniken im Ausland auf.
Symbolfoto: Silvio Wyszengrad Künstliche Befruchtun­g in einer Arztpraxis: Eizellspen­den sind in Deutschlan­d verboten. Viele Frauen, die auf anderem Weg keine Kinder zur Welt bringen können, suchen deshalb Kliniken im Ausland auf.

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