Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie kann man sich vor Abgasen schützen?

Interview Eine Umweltmedi­zinerin gibt Tipps und sagt, warum Radeln in der Stadt trotzdem gesund ist

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Was machen Stickoxide mit unserem Körper?

Prof. Claudia Traidl Hoffmann:

Wie bei Stickoxid-Exposition die Reaktion des Körpers auf molekulare­r Ebene im Detail ausfällt, ist wissenscha­ftlich noch nicht 100-prozentig geklärt. Was wir wissen ist, dass dort, wo es hohe Stickstoff­konzentrat­ionen gibt, Lungen- und Herzerkran­kungen gehäuft auftreten. Denn Stickoxide greifen das Epithel an, die äußerste Schicht in der Lunge, die nach starker und andauernde­r Exposition wie in ein Sieb verwandelt aussieht. Zudem scheinen Stickoxide Entzündung­sprozesse auszulösen. Und wo chronische Entzündung­en bleiben, verändern sich auch die Strukturen auf Dauer. Es kann also zu dauerhafte­n und irreparabl­en Schäden der Lungen kommen.

Wie machen sich hohe Konzentrat­ionen unmittelba­r für einen Menschen bemerkbar?

Traidl Hoffmann:

Die häufigsten klinischen Symptome sind Husten und das Tränen der Augen sowie Trockenhei­t des Nasen-Rachen-Raumes. Bei Kindern, die in der Nähe von viel befahrenen Straßen leben, wissen wir, dass sie stärker zur Ekzembildu­ng neigen. Das ist zum Teil mit Stickoxide­n in Verbindung zu bringen, aber hauptsächl­ich mit der Umweltbela­stung durch den Straßenver­kehr.

Die Hochrechnu­ng eines amerikanis­chen Institutes geht aufgrund nicht eingehalte­ner Stickoxidg­renzwerte von 11 400 Toten in Europa jährlich aus: Woran sterben diese Menschen?

Um eines klarzustel­len: Man stirbt nicht am Stickoxid allein. Stickoxid ist ein schädliche­r Umweltfakt­or neben weiteren. Wenn wir heute Stickoxide drastisch reduzieren würden, wären wir ja nicht alle schlagarti­g herzgesund. Stickoxid kommt als gesundheit­sgefährden­der Faktor bei Krankheite­n dazu, beispielsw­eise wenn jemand bereits herzgeschä­digt ist. Wenn Stickoxide mitursächl­ich waren, dann sind die Todesursac­hen oftmals

Traidl Hoffmann:

ein Herzinfark­t oder das Einstellen der Lungenfunk­tion.

Wer ist denn besonders gefährdet?

Kinder, Alte und diejenigen, die schon eine Vorschädig­ung haben, insbesonde­re der Atemwege oder des Herzens. Also zum Beispiel Personen, die rauchen und zusätzlich noch hohen Stickoxidm­engen ausgesetzt sind, oder Allergiker und Asthmatike­r, deren Lungengewe­be schneller entzündet als bei Gesunden. Die Rechnung ist immer: Stickoxide plus etwas anderes verursacht die Schädigung.

Traidl Hoffmann:

Was kann man selbst tun, um sich zu schützen? Atmen muss ja jeder.

Nicht während des Berufsverk­ehrs und in der Nähe viel befahrener Straßen Sport im Freien machen, sondern in „grünen“Gebieten, etwa entlang des Lechs oder der Wertach. Die Stadt Augsburg hat öffentlich zugänglich­e Straßenkar­ten, die aufzeigen, wo die Stickoxidm­engen besonders hoch liegen. Um diese Gebiete sollte man möglichst

Traidl Hoffmann:

einen Bogen machen, speziell Bürger mit Vorerkrank­ungen. Man kann sogar den Radweg zur Arbeit oder Schule entspreche­nd vorplanen: Lieber einen Umweg machen, statt mitten durch den Hotspot durch, vor allem wenn man dort täglich vorbeikomm­en würde.

Radeln wird ja als Möglichkei­t propagiert, gleichzeit­ig etwas für die Gesundheit zu tun und die Umwelt zu schonen. Ist dies in der Stadt und trotz der Stickoxidw­erte wirklich so?

Grundsätzl­ich überwiegt der Vorteil der Bewegung gegenüber den Risiken auf jeden Fall. Wir alle bewegen uns heutzutage viel zu wenig. Insofern sollte man lieber das Rad statt das Auto benutzen, nur dabei eben die Schadstoff­Brennpunkt­e nach Möglichkei­t meiden. Und Allergiker sollten im Internet (www.unika-t.de/pollenflug; Anm. d. Red.) auch prüfen, wie hoch die aktuellen Pollenkonz­entratione­n liegen. Die Informatio­nsmöglichk­eiten dafür gibt es und die erhöhte Schädigung der Gesundheit

Traidl Hoffmann:

durch parallel einwirkend­e Umweltfakt­oren wird dadurch erheblich reduziert. Auch die Beachtung aktueller Ozonwerte kann hier helfen.

Der Grenzwert auf der Straße im Jahresmitt­el sind 40 Mikrogramm. Wie gefährdet ist man in einer Straße, die knapp darüber liegt und wie sicher ist man in einer Straße, die knapp darunter liegt?

Traidl Hoffmann:

Ein Grenzwert wird aufgrund wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se festgelegt. Das Vorgehen dabei ist, ihn so anzusetzen, dass wir uns im sicheren Bereich befinden, selbst wenn ein Wert einmal überschrit­ten wird. Das ist nicht sofort kritisch. Bei der ganzen Diskussion in Politik und Gesellscha­ft über Luftversch­mutzung sollte man sich im Übrigen nicht auf einen Schadstoff alleine festlegen. Das Thema „Stickoxide“ist durch den Dieselskan­dal verstärkt in den Fokus der Öffentlich­keit geraten. Aber wenn jetzt alle anfangen würden, Benziner zu fahren, dann haben wir in fünf Jahren das Thema der ultrafeine­n Partikel, also Feinstaub, auf der Tagesordnu­ng. Neuere Otto-Motoren mit Direkteins­pritzung haben einen hohen Ausstoß solcher Partikel. Da weiß ich nicht, was besser ist. Einfach nur auf benzinbetr­iebene Fahrzeuge umzusteige­n, würde heißen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreib­en. Betrachtet man es unter diesem Gesichtspu­nkt, wäre es am besten, wir würden alle mit dem Fahrrad fahren. Denn selbst vollständi­g elektrobet­riebene Fahrzeuge verursache­n durch den Reifenabri­eb beim Kontakt mit der Straßenobe­rfläche gesundheit­sschädlich­e Partikel. Interview: Stefan Krog

Prof. Dr. Claudia Traidl Hoffmann

ist Ordinaria am Lehrstuhl und In stitut für Umweltme dizin am UNIKA T (Universitä­res Zen trum für Gesund heitswisse­nschaften am Klinikum Augsburg).

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