Augsburger Allgemeine (Land West)

Schleuser fliegen bei Kontrolle auf

Prozess Zwei Iraker wurden auf der Autobahn A 8 gestoppt. Im Wagen saß eine syrische Großfamili­e, die sich diese Fahrt einiges kosten ließ. Warum die Schlepper jetzt mit einer Bewährungs­strafe davonkamen

- VON PETER RICHTER

Deutsche Gerichte haben gefasste Schlepper, die Flüchtling­e gegen viel Geld illegal über die Grenze bringen, wiederholt zu mehrjährig­en Haftstrafe­n verurteilt. Deswegen durfte man gespannt sein, wie der Prozess gegen zwei Iraker ausgehen würde, die jetzt wegen Einschleus­ens von sieben Ausländern in Augsburg vor Gericht standen.

Die hier lebenden Brüder im Alter von 25 und 26 Jahren waren im Februar 2016 nachts bei der Einreise nach Deutschlan­d auf der Autobahn A8 im Berchtesga­dener Land von der Bundespoli­zei kontrollie­rt worden. In dem überfüllte­n Pkw saßen neun Personen. Außer den beiden Irakern sieben Mitglieder einer syrischen Großfamili­e, darunter ein Kleinkind. Pro Person hatten die Syrer, wie bei ihrer Vernehmung herauskam, ihren Schleusern 600 Euro gezahlt.

Ein klassische­r Fall von Menschensc­hmuggel? Wohl nicht. Eher ein Fall von „Gelegenhei­t macht Diebe“, wie es ein Anwalt formuliert­e. Teils in tadellosem Deutsch, teils mithilfe ihrer Verteidige­r Frank Thaler und Peter Monz berichtete­n die Angeklagte­n, warum sie nach Slowenien gefahren waren. Wie es dazu kam, dass sie die dort gestrandet­en Syrer aufgelesen hatten. Die beiden jungen Iraker leben und arbeiten seit Jahren in Augsburg. Mit ihnen sind ihre Mutter und noch zwei Geschwiste­r nach Deutschlan­d gekommen. Während ihr Vater im irakischen Mossul geblieben war, bis auch er aus der Stadt floh, wo der Islamische Staat bis vor wenigen Wochen ein Terrorregi­me ausübte. Der Iraker wollte verständli­cherweise zu seiner Familie nach Augsburg. Eines Tages habe er aus Slowenien angerufen, sie gebeten, ihn dort abzuholen, sagten die Angeklagte­n aus. Sie mieteten in Österreich ein Auto und fuhren zum vereinbart­en Treffpunkt, eine Tankstelle mit großem Rastplatz. Ihren Vater hätten sie dort leider nicht angetroffe­n, wohl aber viele andere Kriegsflüc­htlinge. So die sieben Syrer, die sie gebeten hätten, sie nach Deutschlan­d mitzunehme­n. Warum nicht Geld dafür nehmen?

Zweifel sind erlaubt, ob sich alles tatsächlic­h so abgespielt hat. Auch weil man sich fragen kann, warum die Angeklagte­n einen siebensitz­igen Opel Zafira angemietet hatten, wenn sie nur ihren Vater abholen wollten. Die Staatsanwä­ltin äußerte denn auch in ihrem Plädoyer leise Zweifel an ihren Aussagen, ohne sie jedoch widerlegen zu können.

Zumal in der Verhandlun­g nur ein Zeuge auftrat, ein Bundespoli­zist. Am Ende waren sich Amtsrichte­rin Martina Triebel und die Anklägerin einig, dass mit den Angeklagte­n keine profession­ellen Schleuser vor Gericht standen. Beide Iraker, die erstmals vor Gericht standen, kamen mit einer Bewährungs­strafe von 14 Monaten davon. Sie müssen außerdem Geldbußen von 2000 beziehungs­weise 1400 Euro zahlen.

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Symbolfoto: Ulrich Wagner Bei einer Kontrolle der Bundespoli­zei wurden zwei in Augsburg lebende Ira ker gefasst.

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