Augsburger Allgemeine (Land West)

Mit drei Promille mehrere Unfälle verursacht

Justiz Eine 44-Jährige war betrunken mit ihrem Auto unterwegs, um sich noch mehr Alkohol zu kaufen. Doch bei dieser einen Spritztour blieb es nicht. Was hinter ihrer Sucht steckt

- VON MICHAEL LINDNER

Gleich drei Unfälle an einem Nachmittag hat eine 44-jährige Autofahrer­in Anfang März verursacht. Und jedes Mal fuhr sie danach weiter, ohne sich um den Schaden zu kümmern. Dass die Frau überhaupt noch mit dem Auto fahren konnte, überrascht­e nun selbst Richterin Kerstin Wagner bei der Verhandlun­g am Augsburger Amtsgerich­t. Die 44-jährige Angeklagte war damals unter dem Einfluss von Medikament­en und erheblich betrunken – sie hatte fast drei Promille.

Die Frau sagte vor Gericht aus, dass sie an jenem Tag zu Hause Weißwein getrunken habe. Wie viel es genau war, daran könne sie sich nicht mehr erinnern. Irgendwann war die Flasche leer, also setzte sie sich ins Auto. Sie fuhr zu einem Supermarkt in Königsbrun­n, um Nachschub zu besorgen. Doch beim Einparken prallte sie laut Anklage gegen einen Audi. Auf dem Heimweg verpasste sie die Einfahrt zu ihrer Wohnung, wollte an der Straße vorwärts einparken – und stieß gegen ein abgestellt­es Auto. Wieder war es ein Audi. Beim Ausparken fuhr sie gegen eine Hausmauer und ein dort stehendes Fahrrad. Die Bilanz ihrer Trunkenhei­tsfahrt: fast 13 000 Euro Schaden. Trotz des hohen Alkoholwer­ts von knapp drei Promille zeigte sie bei der ärztlichen Überprüfun­g kaum Auffälligk­eiten. Lediglich ihr Gang sei damals leicht schwankend gewesen.

Ihr Führersche­in wurde danach eingezogen, doch das hielt die Frau nicht davon ab, sich wieder hinters Steuer zu setzen. Keine zwei Wochen später war sie noch zwei Mal mit dem Auto unterwegs – jeweils am frühen Morgen. Ihr Ziel: eine Tankstelle. Sie wollte wieder Alkohol kaufen. Bei einer dieser Spritztour­en war die 44-Jährige erneut betrunken. Dieses Mal hatte sie einen Wert von „nur“1,91 Promille.

Vor Gericht wurden die Hintergrün­de dieser Verfehlung­en dargestell­t. Die Frau sei psychisch am Ende gewesen, sagte ihre Verteidige­rin Natascha Fischbach. Nach 20 Jahren Ehe kam es zur Scheidung, danach sei sie zur Behandlung im Bezirkskra­nkenhaus Kaufbeuren gewesen. Sie lernte einen neuen Mann kennen, zog mit ihm zusammen.

Doch dann soll er sie mehrfach körperlich misshandel­t haben und sie trennte sich. Sie fiel in ein „seelisches Loch“und begann Anfang dieses Jahres, Alkohol zu trinken. Ihre Mandantin hatte mit finanziell­en Problemen zu kämpfen. Nach Abzug der Miete bleiben ihr lediglich 67 Euro monatlich zum Leben. Dass sie eine neue, günstigere Wohnung braucht, ist der 44-Jährigen bewusst. Sie habe aber noch keine gefunden.

Das Verlangen nach Alkohol wurde von Tag zu Tag schlimmer, sagte Fischbach. Als sie bei ihrem Arbeitgebe­r einen Suizid ankündigte, kam sie erneut nach Kaufbeuren. Seitdem trinke die Angeklagte nichts mehr, gehe in eine Selbsthilf­egruppe und habe eine ambulante Therapie begonnen. Ihr Auto habe sie in der Zwischenze­it verkauft.

Die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft, Janine Häring, forderte eine Geldstrafe von 180 Tagessätze­n zu je 25 Euro – das entspricht 4500 Euro. Verteidige­rin Fischbach sprach von finanziell extrem beengten Verhältnis­sen und – wegen des hohen Promillewe­rtes – einer vermindert­en Schuldfähi­gkeit. Sie erachtete 90 Tagessätze zu je 15 Euro als angemessen.

Richterin Wagner verurteilt­e die Frau zu einer Strafe von 3200 Euro (160 Tagessätze zu je 20 Euro). Zudem erhält sie eine zweijährig­e Führersche­insperre. „Sie sind absolut alkoholgew­ohnt und konnten trotz des extrem hohen Wertes noch Auto fahren – wenn auch mit Unfällen“, begründete Wagner ihr Urteil.

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