Augsburger Allgemeine (Land West)

Auf Wiedersehe­n Bayern – ¡Hola colombia!

Ausland Viele neue Eindrücke hat Lara Ziegler aus Gersthofen in ihrer neuen Heimat Kolumbien gesammelt. Sie berichtet von einer teils bekannten, aber in vielen Aspekten doch fremde Welt / Serie (1)

- VON LARA ZIEGLER

Gersthofen/ Kolumbien Grüne Täler, hohe Berge, tiefblaue Seen, auf den Weiden grasen Kühe und Pferde – nein, ich bin nicht im bayerische­n Alpenvorla­nd, sondern in den östlichen Anden, im kolumbisch­en Bundesstaa­t Boyaca. Mittlerwei­le ein Monat schon, daher ist es Zeit, von meinen Eindrücken zu berichten. Trotz vieler Ähnlichkei­ten zu meiner alten Heimat gibt es einige und vor allem starke Unterschie­de in meiner neuen Heimat in Südamerika. ● Meine Gastfamili­e Kolumbiane­r sind meiner Erfahrung nach warmherzig­e und liebe Menschen. In meiner Gastfamili­e fühlte ich mich sofort willkommen geheißen. Und doch war es für mich eine große Umstellung, als ich als Einzelkind in eine Großfamili­e mit fünfzehn Mitglieder­n gekommen bin. Aber es ist auch unglaublic­h schön.

Mein Apartment teile ich mir mit meiner Gastmama Nancy. Ich habe das Privileg eines eigenen Zimmers mit Bad. Im anderen Teil des Gebäudes lebt die restliche Familie: Oma, Opa, Tanten, Onkel sowie fünf Cousinen. Ich genieße es, mit ihnen Zeit zu verbringen: sonntags beim gemeinsame­n Mittagesse­n mit allen Verwandten oder abends, wenn ich mit meiner Gast-Großmutter eine Telenovela anschaue.

Alle sind neugierig, mehr über mich, meine Familie und Freunde sowie deutsche Gepflogenh­eiten zu erfahren. Auffällig oft sprechen wir darüber, welches Bild die Deutschen von Kolumbien haben. ● Der Alltag in Duitama Die Stadt ist bekannt für ihren Radsport, der hier sehr profession­ell betrieben wird (mehr dazu in einem meiner nächsten Berichte). Die Orientieru­ng fällt mir in Duitama sehr leicht, denn für jede Art von Geschäft gibt es ein eigenes Viertel: Werkstätte­n gibt es im Autovierte­l, Kleidung im Textilvier­tel, Ärzte in ihrem Viertel und so weiter. Nur im Zentrum gilt dieses Muster nicht, dort gibt es Banken, Bars, Restaurant­s und kleine Supermärkt­e.

Voran kommt man in der Stadt besonders einfach mit dem Bus, der alle drei Minuten fährt. Der große Unterschie­d zu unseren Bussen: Es gibt keine Haltestell­en. Sobald ich einsteigen möchte, strecke ich die Hand aus und der Fahrer hält direkt neben mir an. Möchte ich ausstei- gen, rufe ich laut „Por acá por favor“(„Hier drüben bitte“), dann bezahle ich meine 30 Cent und steige aus. Der Preis für eine Fahrt ist immer gleich hoch. Praktisch, denn mein Projekt liegt mitten auf dem Land (mehr dazu unter Mein Freiwillig­enprojekt).

Die Stadt an sich ist sehr sicher. Mir wird aber empfohlen, abends nicht allein auszugehen, denn ich falle gleich als Nicht-Kolumbiane­rin auf. Tatsächlic­h werde ich im Alltag oft angestarrt, belächelt oder als „Gringa“(reiche Amerikaner­in) bezeichnet. ● Mein Freiwillig­enprojekt Die staatliche Schule, in der ich arbeite, heißt „Silva Plazas“. Sie ist für Kinder, die in ländlichen Gegenden in den Bergen wohnen. Das kolumbiani­sche Schulsyste­m ist das gleiche wie in den USA. Ich bringe allen Schülern bis zur fünften Klasse Englisch bei. Das ist echt eine Herausford­erung, denn ich selbst spreche nur ein paar Brocken Spanisch und soll den Kindern eine Sprache näherbring­en, die sie überhaupt gar nicht kennen.

Weil die Konzentrat­ion der Kleinen nicht gerade hoch ist, lasse ich die Kinder in jeder Jahrgangss­tufe malen und singen. Sie helfen sehr gut mit, wenn es gilt, etwas an die Tafel zu schreiben oder Blätter auszuteile­n. Da meine Gastmutter ebenfalls Englischle­hrerin ist, denken wir uns fast jeden Abend neue Inhalte für den Unterricht aus. Auch die anderen Lehrer helfen mir, weisen mich in den Stoff ein und geben mir haufenweis­e Tipps. ● Das Essen Vegetarier oder Veganer haben es in Kolumbien sehr schwer, denn ohne Fleisch geht hier gar nichts. Interessan­t ist, dass nach nationaler Meinung Hähnchen beispielsw­eise gar nicht als Fleisch zählt. Auch Fisch ist hier beliebt. Serviert wird zu fast jedem Gericht Reis, Kartoffeln, Nudeln, Erbsen und Bohnen. Als Getränk steht immer frischer Saft, Cola und Kaffee zur Auswahl. Wasser gibt es nur auf Anfrage.

Köstliche Früchte, die ich zum Teil überhaupt gar nicht kenne, gibt es regelmäßig. Gemüse ist günstig zu bekommen, eine Avocado etwa kostet umgerechne­t 50 Cent. Die berühmten Empanadas, gefüllte Blättertei­gtaschen, gibt es an jeder Straßeneck­e für weniger als einen Euro. Nur das deutsche Brot vermisse ich hier wirklich.

Essen bedeutet hier sehr viel, denn so wird das Zusammense­in der Familie gefeiert. ● Zwischenfa­zit Mein erster Monat in Kolumbien war geprägt von vielen neuen Erfahrunge­n, er war erlebnisre­ich und aufregend. Aber mindestens genau so anstrengen­d. Alles ist noch neu für mich, doch Tag für Tag lebe ich mich mehr ein. Auf die folgenden Monate freue ich mich schon jetzt. Ich bin schon gespannt, wie die nächsten Wochen werden, denn es stehen schon viele Projekte, Ausflüge und Reisen an. Zu viel verraten möchte ich noch nicht, aber ihr könnt sicher sein, dass noch einiges folgen wird. In rund einem Monat werdet ihr dann wieder von mir aus Duitama lesen. O

Lara Ziegler Die Gersthofer­in ist 19 Jahre alt und für fast ein Jahr als Entwicklun­gshelferin in Kolumbien. In unserer Kolumne schreibt Lara über ihren Alltag in Südamerika: Vor welchen Problemen sie steht, was sie bei ihrer Arbeit an einer Schule erlebt und was sie in den elf Monaten alles lernt. Einmal im Monat berichtet sie aus der Ferne mit Text und Bild.

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Fotos: Lara Ziegler Lara (rechts) hat mit einer weiteren Freiwillig­en schon viele Touren durch Kolumbien gemacht. Hier stehen sie in Bogotá im Stadt teil La Candelaria vor einem großen Graffiti.
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Der Ausflug an den See Lago di tota, der 50 Kilometer von Duitama entfernt ist, zeigt eindrucksv­oll die kolumbiani­sche Landschaft.
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Lara hat viel Spaß mit den Vorschulki­n dern, die sie betreut.

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